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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Gedanken schien er schon sein Honorar auszurechnen. Konzentriert tippte er einen kurzen Text; Eisenhardt schaute ihm über die Schulter, aber der Journalist arbeitete mit einer hebräischen Textverarbeitung, so daß Eisenhardt nicht erkennen konnte, was er schrieb. Den Zusammenhang zwischen den lateinisch beschrifteten Tasten und dem hebräischen Alphabet schien Liebermann auswendig zu beherrschen, und es war faszinierend, die Textzeilen von rechts nach links wandern zu sehen anstatt umgekehrt, wie der Schriftsteller es gewohnt war.
    »So«, machte er schließlich.»Nun laden wir das Bild dazu…«Er zog ein kleines Kabel aus seiner anscheinend universell ausgestatteten Umhängetasche hervor, stöpselte es in die Kamera, drückte hier ein paar Knöpfe und ein paar Tasten auf seinem Mobiltelefon-pc, wartete ein paar Augenblicke und zog das Kabel zufrieden wieder ab.»Fertig. Normalerweise könnte ich das jetzt komplett aus der Hand versenden, direkt in den Hauptcomputer meiner Redaktion, aber hier an Bord geht das natürlich nicht; wahrscheinlich würden wir abstürzen oder, noch schlimmer, versehentlich in Libyen landen, haha! Aber ich frage die Stewardeß, ob ich die Telefonanlage des Flugzeugs verwenden kann, normalerweise ist das kein Problem. Moment…«
    Eisenhardt sah ihm verblüfft nach, wie er mit einem anderen Kabel und seinem PC in der Hand nach vorn marschierte und hinter dem Vorhang zur Bordküche begann, auf eine der Stewardessen einzureden. Dann verschwanden beide, und eine Weile geschah nichts.
    Eisenhardt sah aus dem Fenster. Wolkenfetzen zogen vorbei. Das da unten, war das die Toscana? Oder erst die Po-Ebene? Ein grünbraunes Mosaik von Feldern, dazwischen spinnendünn Straßen und Wege. Und dunkel schimmernd das Meer.
    Uri Liebermann kehrte grinsend zurück.»Na, wer sagt’s denn. Es hat geklappt. Wenn Sie Glück haben, sehen Sie sich schon in der Zeitung, wenn wir landen… Nein, das ist übertrieben. Es kommt in der Abendausgabe. Wenn Sie in Ihr Hotel kommen, schauen Sie mal die hebräischen Zeitungen dort durch.«
    »Sie machen Witze.«
    »Nein, ehrlich! Gut, normalerweise hätte ich es mit dieser Meldung nicht so eilig gehabt. Klar. Aber wenn etwas Dramatisches passiert, in Bonn sich ein Minister negativ über Israel äußert — ich tippe seine Worte direkt hier in meine kleine Wunderbox, drücke auf den Knopf, und wenn es optimal läuft, liegt die Zeitung mit meinem Bericht vier Stunden später in Israel an den Kiosken.«
    »Vier Stunden?«
    »Vier Stunden. Und wir reden von einer ganz normalen Nachricht, wohlgemerkt. Wenn etwas wirklich Wichtiges passiert, geht es noch schneller.«
    »Unvorstellbar.«Eisenhardt war ehrlich beeindruckt.
    »Prüfen Sie’s nach.«
    »Ganz bestimmt. Auch wenn ich den Aufwand, ehrlich gesagt, ziemlich verrückt finde.«
    Liebermann lachte.»Willkommen in Israel! Glauben Sie mir, die Israelis sind völlig meshuga, was Nachrichten anbelangt. Sie hören ständig Radio, schauen jeden Abend die Nachrichten im Fernsehen, meistens auch noch die im jordanischen, im ägyptischen und im syrischen, und lesen dreimal am Tag Zeitung. Und nicht nur die Juden, die Palästinenser genauso. Und man redet ständig über die schlechten Nachrichten, regt sich auf, jede Menge Leute kriegen Herzanfälle davon. Es ist eine Manie; das können Sie sich gar nicht vorstellen. Das ist Israel!«
    Das war also Israel. Der Flughafen David-Ben-Gurion sah auf den ersten Blick aus wie jeder x-beliebige Flughafen in irgendeinem Mittelmeerland: groß, lichtdurchflutet, heiß und voller Menschen. Auf den zweiten Blick fielen Eisenhardt die Beschriftungen auf, die durchgehend dreisprachig gehalten waren, in Hebräisch, Englisch und Arabisch, die Soldaten überall, die wachsam eine Hand auf der umgehängten Maschinenpistole hatten. Irgendwann war Liebermann verschwunden, und Eisenhardt ließ sich im Menschenstrom mittreiben, durch die nervenaufreibend gründlichen Kontrollen, die in seinem Koffer absolutes Chaos hinterließen, und schließlich hinaus aus dem Flughafengebäude unter den wolkenlosen Himmel Tel Avivs. Hinter Absperrgittern drängten sich Menschen, die jedes Gesicht mit spannungsvoller Erwartung studierten. Ab und zu gab es Aufschreie, und dann lagen sich Wartende und Neuankömmlinge über das Gitter hinweg in den Armen, hörte man Shalom oder Salam alaikum, Lachen und Weinen. Eisenhardt kam sich etwas verloren vor.
    Dann entdeckte er ein Pappschild, das jemand hinter den Reihen der

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