Das Jesus Video
Augenzeugenbericht. Paulus hieß ursprünglich Saulus und war ein fanatischer Christenverfolger, ehe er vor Damaskus bekehrt wurde.«
Eine Art stillen Triumphes erfüllte Kaun, als er den hageren Mann in der Priestersoutane da stehen sah, einfach so, im Staub zwischen den Wohnwagen. Ein Gesandter des Vatikans. Der Prophet war zum Berg gegangen, und es hatte zunächst wie ein Fehlschlag ausgesehen. Nun kam der Berg zum Propheten.
Er bewunderte eine Weile das eindrucksvolle Siegel des Vatikans, das neben dem Namen — Luigi Baptist Scarfaro, Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre — auf der Karte prangte. Wirklich eindrucksvoll. Er hätte etwas darum gegeben, ein solches Wappen auf seinen eigenen Visitenkarten führen zu können.
»Was verschafft mir die Ehre, ähm… Wie muß ich Sie eigentlich ansprechen?«fragte Kaun.
»Ich bin Priester«, entgegnete der Besucher in bemerkenswert akzentfreiem Englisch.»Sie können Pater zu mir sagen. Pater Scarfaro.«
»Ah ja. Nun, gut, Pater — was kann ich für Sie tun?«Er mußte das Gespräch noch eine Weile im Unbestimmten halten, mußte Kraft sammeln. Das Treffen kam trotz allem zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn die letzten Stunden hatten seine Zuversicht aufgezehrt, die Kamera und das Video darin jemals finden zu können.
Es war aus. Es half nichts, sich da etwas vorzumachen. Dieser naseweise Collegeboy hatte alles verdorben. Erst unterschlug er das wichtigste Fundstück — was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, auf eigene Faust zu handeln? Hatte ihm niemals jemand beigebracht, was es hieß, erwachsen zu werden? -, dann verursachte er dessen Zerstörung. Gut zu verstehen, daß er sich nun versteckt hielt. Aber das würde er nicht ewig so treiben können. Wahrscheinlich saß er irgendwo in einem Eck und zitterte, während ihm allmählich aufging, was er sich da eingebrockt hatte: Bis an sein Lebensende würde er nicht mehr aus den Gerichtssälen dieses Planeten kommen. Er, John Kaun, würde die geballte Streitmacht seiner juristischen Abteilungen entfesseln und ihn mit Schadenersatzklagen überziehen, bis ihm schwarz vor Augen wurde. Die Schar seiner Anwälte, unter denen einige der besten, bissigsten, aggressivsten Anwälte der Welt waren -Männer, die Anwälte geworden waren, weil sie ihre übermächtigen Aggressionen ansonsten nur durch regelmäßige Massaker unter Unschuldigen hätten abbauen können -, würde ihn verfolgen bis ans Ende der Welt. O ja, auf die eine oder andere Weise würde John Kaun schon noch seinen Gewinn machen. Vielleicht nur einen kleinen, aber einen Gewinn. Wer weiß, vielleicht ließ sich ja ein Mythos daraus konstruieren? Sozusagen die Titanic der Archäologie?
»Uns«, begann der Pater mit dem harten, mageren Gesicht und machte eine unmerkliche kleine Pause, lang genug, damit man begriff, wen er damit meinte — den Papst, den gesamten Vatikan, vielleicht sogar Gott selbst -,»ist zugetragen worden, Sie hätten ein außerordentliches Artefakt aus der Zeit Jesu Christi entdeckt…«
Kaun nickte.»Das ist richtig.«
»Es schien uns geboten, in dieser Sache persönlich vorstellig zu werden. Kann ich es sehen?«
Oha. Waren da Begehrlichkeiten zu spüren?»Hmm. Offen gestanden, Pater, bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob Sie der sind, für den ich Sie halten soll. Hier steht, Sie sind Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre. Klingt beeindrukkend. Aber ich meine, seien wir ehrlich, Sie könnten ein Journalist von einem Konkurrenzunternehmen sein. Eine Soutane ist schnell gekauft, und Visitenkarten kann sich jeder drucken lassen. Auch mit dem Siegel des Vatikans darauf.«
Der Priester nickte sachte. Er stand leicht schief und gebeugt, wirkte beinahe teigig — aber Kaun wurde das Gefühl nicht los, daß er sich verstellte, daß unter der Maske der Weichheit und mildherzigen Unterwürfigkeit eine Schlange aus Stahl lauerte.
»Mister Kaun«, erklärte der Priester mit leiser, sanfter Stimme,»in Ihrer Position sehen Sie häufiger und tiefer hinter die Kulissen der Weltpolitik als der normale Zeitgenosse. Ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen erkläre, daß der Heilige Stuhl einen Nachrichtendienst unterhält, um den uns alle Staaten der Welt beneiden. Ich bin hier, weil uns eine Information erreicht hat, wonach Sie auf der Suche seien nach einer Videoaufnahme Jesu Christi, die ein Zeitreisender angefertigt und an einem unbekannten Ort versteckt haben soll.«
Kaun mußte sich anstrengen, sein Pokerface zu
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