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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Brief — so er authentisch ist — erfahren wir, daß dieses Verschwinden kein Verbrechen und kein Unfall sein wird, sondern eine Art Absturz in eine Gletscherspalte der Zeit. Unser unvorbereiteter Tourist landet in einer ihm völlig fremden Welt und muß sich so gut wie möglich durchschlagen. Das einzige, was er dabei hat, ist die Umhängetasche mit seiner neuen Videokamera. So ungefähr das Nutzloseste aus seinem gesamten Gepäck, wenn man seine Situation betrachtet. Er würde sie liebend gern eingetauscht haben gegen Dinge wie, sagen wir, eine Nagelschere, ein Taschenmesser, ein paar Unterhosen oder ein Röhrchen Aspirintabletten.«
    Goutiere war ein beeindruckender Anblick, wenn er einmal in Fahrt kam. Auf seiner Stirn begannen feine Schweißtropfen zu glänzen, seine wenigen Haare schienen sich während des Redens elektrisch aufzuladen und sich infolgedessen langsam zu spreizen, und nach und nach wurde seine gesamte Körperfülle Bestandteil seiner ausladenden Gestik. Wahrscheinlich waren seine Vorlesungen gut besucht, und bestimmt waren sie nicht langweilig.
    »Und dann«, rief er mit erhobenem Zeigefinger,»erfährt er, wo und wann er gelandet ist. Er erfährt, daß er nicht nur ein Zeitgenosse des Jesus von Nazareth geworden ist, nein, daß dieser sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft lebt und wirkt, in Kapernaum am See Genezareth nämlich, das nur wenige Tagesreisen entfernt ist. Keine Entfernung jedenfalls in der damaligen Zeit, die regen Handel kannte zwischen Europa, Nordafrika und Indien. Und wahrscheinlich ist ihm erst da die Idee gekommen, Jesus zu filmen, um die Aufnahmen in unsere Zeit zu übermitteln. Und erst da mußte er beginnen nachzudenken, wie er das bewerkstelligen könnte. Was kann er sich ausgedacht haben?«
    »Im Prinzip«, warf Kaun unleidig ein,»immer noch dieselbe Frage.«
    »Im Prinzip«, nickte Goutiere.»Nur die Randbedingungen sind andere, als wir bisher angenommen haben. Wir haben es nicht mit einem Forscher, sondern mit einem Gestrandeten in der Zeit zu tun. Dazu wahrscheinlich mit einem amerikanischen Touristen — ohne Anwesenden zu nahe treten zu wollen, muß ich doch die Frage in den Raum stellen, welches historische Wissen wir bei einem durchschnittlichen Amerikaner, der eine Pauschalreise durch Israel macht, voraussetzen dürfen.«
    Eisenhardt bemerkte den Anflug eines spöttischen Lächelns auf den Lippen des stellvertretenden Ausgrabungsleiters, Shimon Bar-Lev.
    »Und - es sind schon einige Jahre vergangen. Unser Mann hat eine neue Sprache und einen neuen Beruf erlernen müssen, sich in einer fremden Kultur zurechtfinden müssen, hat geheiratet, Kinder gezeugt womöglich. Die ganze Zeit hat er gerätselt, was um alles in der Welt mit ihm passiert ist. Dann hört er von einem Wunderrabbi, einem Zimmermann aus Nazareth, Jesus — und da fällt bei ihm endgültig der Groschen. Er ist durch die Zeit gestürzt. Aber auch das muß er verarbeiten. Was, frage ich Sie, kann so jemand noch wissen, das ihm bei dem Problem, eine Kamera zweitausend Jahre überdauern zu lassen, helfen könnte?«
    »Das sage ich doch die ganze Zeit«, meinte Professor WilfordSmith bedächtig.»Er hat die Kamera bestimmt gut verpackt, in einem Tonkrug versteckt meinetwegen, in irgendeine namenlose Höhle gebracht und einfach das Beste gehofft. Das würde ich jedenfalls tun.«
    »Und am Ende seines Briefes hat er beschrieben, wo sie zu finden ist«, fügte Kaun hinzu.»Mit anderen Worten, wenn Foxx es geschafft hat, den Brief vollständig lesbar zu machen, ist er jetzt der einzige, der weiß, wo die Kamera ist. Wenn nicht, weiß es niemand mehr.«
    »Exakt«, nickte der gewaltige Mann aus Toronto.
    »Was ist mit Ihnen?«wandte Kaun sich an Eisenhardt.»Was würden Sie an der Stelle des Zeitreisenden tun?«
    Der Schriftsteller hob die Augenbrauen, sah den mächtigen Konzernchef gedankenverloren an und schwieg eine beinahe schmerzhaft lange Zeit.
    »Ich würde«, sagte er dann versonnen,»versuchen, einer der zwölf Jünger zu werden.«
    »Okay«, meinte Stephen, als sie wieder im Jeep saßen.»Das sieht alles hervorragend aus. Als nächstes sollten wir euren Vater fragen, was…«
    »Nein«, unterbrach ihn Judith sofort.
    »Was?«
    »Nein!«
    Er sah sie irritiert an, dann Yehoshuah, der peinlich berührt mit den Schultern zuckte. Judith starrte verbissen geradeaus, und ihre Kiefermuskeln zuckten.
    Allerhand. Stephen atmete tief aus und wieder ein. Reizende Familie.
    »Na gut«, meinte er dann, als sei

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