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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Datei«, fuhr Stephen schonungslos fort,»sind auch Datum und Uhrzeit der Bestellung vermerkt. Ich habe mehrmals nachgerechnet und herausgefunden, daß Sie ein Mann schneller Entschlüsse sind, Professor. Die Zeitverschiebung zwischen Israel und der amerikanischen Ostküste eingerechnet, haben Sie nach dem Zuklappen meines Laptops keine halbe Stunde gewartet, ehe Sie bei Video World Dispatcher anriefen. Wissen Sie, daß Sie einer der ersten waren? Und wissen Sie, daß Sie unter Tausenden von Bestellern aus aller Welt der einzige sind, der nur ein Abspielgerät, aber keine Kamera dazu bestellt hat?«
    Die Stimme des ehemaligen Ausgrabungsleiters klang mit einem Mal belegt.»Was schließen Sie daraus?«
    »Ja, das habe ich mich auch gefragt. Wochenlang fragte ich mich: Stephen, was schließt du daraus? Was hat das zu bedeuten? Und ich habe weiter recherchiert. Schließlich fand ich bei SONY eine hilfsbereite Seele, die mir sagen konnte, daß ein Mister WilfordSmith aus England seit 1969 ständig auf der Versandliste für Werbematerial, Neuentwicklungen den Bereich der Videotechnik betreffend, stand. Erst vor zweieinhalb Jahren kam eine Nachricht, man möge ihn aus dem Verteiler streichen. Was man übrigens nicht getan hat, anbei bemerkt.«
    Der greise Archäologe nickte nur., »Natürlich kann man auch dieses Detail erklären«, gab Stephen zu.»Sicher. Was ist schon dabei, wenn sich ein Wissenschaftler für Videotechnik interessiert? Im Gegenteil, es liegt doch nahe. Abgesehen davon vielleicht, daß Sie niemals Videoaufzeichnungen von Grabungen gemacht oder veranlaßt haben, daß welche gemacht wurden.«
    »Die Technik war noch nicht robust genug dafür«, meinte der Professor lahm.
    »Das mag vielleicht 1969 so gewesen sein. In den vergangenen zehn Jahren stimmte es nicht mehr.«
    WilfordSmith seufzte, ließ die faltigen Hände in den Schoß sinken und sah Stephen sinnierend an.»Was denken Sie?«fragte er.»Sie haben doch eine Theorie, sonst wären Sie nicht hier. Heraus damit.«
    »Ich würde es nicht Theorie nennen. Ich habe eine Geschichte. Eine andere Geschichte«, betonte Stephen und fühlte plötzlich wieder den Strom der Gewißheit durch seinen Körper fließen, den er so lange entbehrt hatte. Er war hierhergekommen mit der Angst, der alte Wissenschaftler könnte etwas sagen, das seine Geschichte zerstörte, irgendein Argument anbringen, das er nicht bedacht hatte und das die mühsam entschlüsselte Logik über den Haufen warf. Aber das würde nicht passieren. Nicht mehr.»Die Geschichte handelt von einem jungen britischen Soldaten, der 1947 und 1948 in Palästina stationiert ist, die ganze Zeit, während vor den Vereinten Nationen der Plan diskutiert wird, den Juden dort die Gründung eines eigenen Staates zuzugestehen. Es ist eine unruhige Zeit, aber der Soldat findet Zeit und Gelegenheit, sich in dem Land umzusehen, Eindrücke und Erinnerungsstücke zu sammeln. Dieser Soldat waren Sie, Professor.«
    »Ja«, nickte der.»Ich war damals in Palästina stationiert.«
    »Am 15. Mai 1948 zogen Sie mit den britischen Truppen aus dem gerade gegründeten Israel ab, kehrten nach England zurück, schieden aus der Armee aus und nahmen einen ganz normalen Beruf in der Textilindustrie auf. Sie heirateten, setzten Kinder in die Welt, machten eine beachtliche Karriere. Zwanzig Jahre lang führten Sie ein unauffälliges Leben. Doch dann muß irgend etwas geschehen sein. Die Frage ist: was?«
    »Es genügte mir nicht mehr, ein unauffälliges Leben zu führen«, bot WilfordSmith als Erklärung an.»Heutzutage würde man das eine Midlife-Crisis nennen.«
    Stephen schüttelte den Kopf.»Nein. Meine Geschichte geht anders. Meine Geschichte sagt, daß unter den Souvenirs, die Sie aus dem Heiligen Land mitgebracht und in irgendeiner Schachtel oder Kiste die ganzen Jahre aufbewahrt haben, ein Gegenstand gewesen sein muß, von dem Sie nicht wußten, um was es sich dabei handelte. Was zwanzig Jahre später, in den Sechzigern, geschah, war, daß Cassettenrecorder aufkamen und in unübersehbarer Menge verkauft wurden. Als Sie die erste Musik-Cassette sahen, muß Ihnen das alte, rätselhafte Mitbringsel aus Palästina wieder eingefallen sein. Irgendwann haben Sie es hervorgekramt und festgestellt, daß eine gewisse Ähnlichkeit bestand. Mittlerweile machten auch die vier Buchstaben, die darauf eingeprägt waren, Sinn: SONY — das war die japanische Firma, die mit Macht auf die Märkte der Welt drängte. Was für ein Rätsel! Sie

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