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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nickte kurz und zackig, dann verschwand er wieder aus dem Lichtkegel der Handlampe. Der Mann in dem Overall musterte Stephen noch einmal von oben bis unten, dann nickte er gnädig und gab den Weg frei.»Sie können passieren.«
    »Oh, danke schön«, knurrte Stephen gereizt.
    Die romantische Atmosphäre war restlos verflogen. Sie stapften nebeneinander weiter, hinauf zu den Zelten, auf Armeslänge Abstand. Dumpfes Schweigen lag auf ihnen wie ein dickes Tuch.
    »Demnächst verhängen sie wahrscheinlich Ausgangssperre«, meinte Stephen nach einer Weile.
    »Mmh«, machte Judith nur.
    Es würde wieder nicht klappen. Der Zwischenfall hatte alles verdorben. Stephen spürte einen hilflosen Zorn auf den Mann, der in seinem khakifarbenen Overall jene Art von physischer Überlegenheit ausgestrahlt hatte, der mit aller Schlauheit der Welt nicht beizukommen war. Es würde nichts bringen, den Mann morgen früh zur Rede zu stellen. Im besten Fall würde er sich eine blutige Nase holen, weiter nichts.
    Sie erreichten die Zelte, blieben stehen. Stephen stellte sich vor sie, legte noch einmal die Arme um sie, ohne Hoffnung, damit noch irgend etwas zu bewegen. Er wurde das Gefühl nicht los, versagt zu haben, sooft er sich auch sagte, daß er nichts dafür konnte.
    Sie sah ihm in die Augen. Er erwiderte den Blick, fasziniert von ihren tunnelschwarzen Pupillen, die groß und offen waren in der Dunkelheit und den Blick in ein unbekanntes Land freizugeben schienen.
    Vielleicht, durchfuhr es ihn, konnte ein Überraschungsangriff die verfahrene Situation retten. Damit hatte er einmal den schnellsten Aufriß seines Lebens gelandet. Er war zu einer großen Party eingeladen gewesen und noch keine dreißig Sekunden zur Tür hereingewesen, als ihm eine ungemein begehrenswerte Frau über den Weg gelaufen war, zu der er aus einem tollkühnen Gefühl heraus statt einer Begrüßung dreist gesagt hatte:»Wollen Sie mit mir schlafen?«Sie hatte ihn erstaunt angesehen und, ohne lange zu überlegen, ja gesagt. Und weitere sechzig Sekunden später waren sie wieder zur Türe draußen gewesen, und erst am nächsten Morgen war er dazu gekommen, sie nach ihrem Namen zu fragen.
    Faserige Wolken schoben sich vor die schmale Sichel des Mondes.
    »Es hat eine Zeit gegeben«, sagte Judith plötzlich,»da bin ich mit jedem Mann ins Bett gegangen, der mir gefallen hat, ohne zu zögern. Aber das bringt nichts. Das reicht nicht als Grund.«
    Stephen räusperte sich.»Soll das heißen, wir sind uns zu spät begegnet?«
    Sie schien ihm nicht zuzuhören.»Ich suche nach einer Art von Beziehung, die etwas bedeutet. Die wirklich ist. Verstehst du?«
    »Ja, klar. Wie wäre es, wenn du morgen weitersuchen würdest?«
    Judith lächelte zerstreut, hauchte ihm einen sanften Kuß auf die Lippen und löste sich aus seinen Armen. Er sah ihr nach, wie sie zu ihrem Zelt hinüberging, das das vorletzte in einer Reihe gleichartiger Zelte war, und wartete, daß sie sich noch einmal umdrehte, ihm zuwinkte, ihm bedeutete, ihr zu folgen, irgend etwas in der Art. Aber sie sah sich nicht einmal mehr um, schritt nur stolz und begehrenswert über den mondhellen Geröllboden und verschwand schließlich.
    Stephen spürte dem Sandelholzgeschmack ihres Kusses nach, und sein Hirn rotierte wie eine durchgehende Dampfturbine. Vielleicht wartet sie nur darauf, daß du ihr nachgehst, flüsterte die Stimme eines kleinen Teufelchens. Daß du Leidenschaft an der Schwelle zum Wahnsinn zeigst. Vielleicht, vielleicht…
    Dann fiel ihm ein, daß sie ihr Zelt ohnehin mit einer anderen Ausgrabungshelferin teilte, einer allzeit ernst dreinblikkenden Skandinavierin, die mindestens vierzig sein mußte.
    Alles völliger Blödsinn. Er ging in sein Zelt, zog sich aus und schlüpfte ins Bett. Und überhaupt war er total müde. Ganz und gar nicht in Form für eine sexuelle Premiere. Vor allem, da es aller Frühe wieder losgehen würde. In ein paar Stun-
    den um genau zu sein. Höchste Zeit, daß er eine Mütze voll Sclaf bekam…
    Dann, vor dem Einschlafen, fiel es ihm wieder ein. Richtig, da war doch noch etwas gewesen. Er fuhr noch ein-mal hoch, griff nach der Taschenlampe und leuchtete unter sein Bett.
    Der graue, flache Stahlkasten war noch da.

9
    Mittlerweile gilt als gesichert, daß es in Jerusalem und Umgebung in herodianischer Zeit ein stark entwickeltes Handwerk zur Herstellung steinerner Gefäße gegeben hat. Sie sind aus Kalkstein, der im Gebiet östlich von Jerusalem gebrochen wurde, verfertigt, wobei

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