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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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anzupassen. Das würde zum Glück mit ein paar simplen E-Mails erledigt sein. Aber Video, ausgerechnet.
    Sollte er überhaupt reagieren? Er hatte genug Geld. Er konnte die ganze Angelegenheit genausogut auf sich beruhen lassen.
    »Blödsinn«, grummelte er und zog die Kabelverbindung zwischen dem Computer und dem Telefon heraus. Darüber konnte er ein andermal nachdenken. Einmal darüber schlafen, das war das beste. Es ärgerte ihn, daß ihm dieser eigenartige Zufall so im Kopf herumging.
    Die Schar der Ausgrabungshelfer unterbrach ihr Frühstück nicht, als Professor WilfordSmith sich dem Küchenzelt näherte, aber der Geräuschpegel der Gespräche sank, und fast jeder warf einen neugierigen Blick in seine Richtung. Seit dem geheimnisvollen Fund in Areal 14 kursierten die phantastischsten Gerüchte. Etwas Militärisches sei gefunden worden, wollten die einen wissen. Nein, man sei auf einen großen Schatz gestoßen, vermuteten andere. Nur die Anwesenheit der amerikanischen Fernsehleute wollte in keine der Theorien so recht hineinpassen.
    »David«, winkte der Ausgrabungsleiter den Küchenchef zu sich heran, einen jungen Mann mit wildem Kraushaar und einem stets grimmig dreinblickenden Gesicht.
    »Professor?«
    »Ich suche Foxx«, erklärte WilfordSmith und ließ seinen Blick suchend über die vollbesetzten Tischreihen außerhalb des Zeltes wandern.»Hast du ihn zufällig gesehen?«
    »Er war da. Hat sein Tablett vollgeladen, als ob er am Verhungern wäre, und ist wieder hinauf damit zu den Zelten.«Es wurde nicht gern gesehen, wenn Geschirr den Einflußbereich der Küche verließ, weil es dazu neigte, nicht wieder in diesen zurückzukehren, sondern in irgendwelchen Gesteinsspalten zu verschwinden und selber zu Fundgut künftiger Archäologen zu werden.
    »Kannst du jemanden raufschicken und ihm sagen, daß ich ihn sprechen will?«
    »Kein Problem. Jetzt sofort?«
    »Ja, bitte. Er soll zu den Wohnwagen kommen, dem zweiten von hier aus.«
    »Wird erledigt.«
    Stephen warf das Kabel zurück in seine Reisetasche und holte eine CD-Hülle heraus. Das war es, was er eigentlich neben dem Frühstück her hatte machen wollen: ein wenig recherchieren. Die CD, die er der kleinen Klappschachtel entnahm und in das Laufwerk seines Computers legte, enthielt die gesamte ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA.
    Als kleiner Junge hatte er immer ehrfürchtig zu den über dreißig mächtigen, ledergebundenen Bänden aufgeschaut die im Arbeitszimmer seines Vaters in einem eigens dafür bestimmten Regal residierten. Ab und zu hatte er darin blättern dürfen, und es war für ihn lange Zeit ausgemachte Sache gewesen, daß die Britannica alles enthielt, was es überhaupt zu wissen gab. Auch als er später entdeckte, daß dem keineswegs so war, daß selbst die ausführlichsten, tiefschürfendsten Artikel der Britannica ellenlange Verweise auf weiterführende Literatur enthielten, behielt er dennoch die Angewohnheit bei, wann immer er etwas wissen wollte oder mußte, seine Nachforschungen in diesen Büchern zu beginnen.
    Der Schlitten des Laufwerks schloß sich mit einem schabenden Geräusch, und dann war das leise Surren zu hören, mit dem die silberglänzende Scheibe auf die richtige Umdrehungszahl beschleunigt wurde. Stephen rief das zugehörige Suchprogramm auf und hielt dann inne.
    Suche nach Stichwort: stand da, und ein fadendünner Strich blinkte abwartend in dem entsprechenden Eingabefeld.
    Stephen zögerte.
    Das war gar nicht so einfach. Erinnerungen an seine Kindheit tauchten plötzlich auf — an Sonntage, an blühende Wiesen und Sträucher und an die Enttäuschung, feine Kleider tragen zu müssen und nicht draußen herumtoben zu dürfen; an langweilige, unverständliche, nicht enden wollende Kirchenbesuche, nach denen man noch ewig auf dem Kirchenvorplatz herumstehen mußte, während die Erwachsenen sich unterhielten und in einem fort lächelten und auf falsche Weise freundlich waren zu Leuten, über die sie zu Hause schlecht redeten. Und dann waren da Mitschüler und Nachbarskinder, die ebenfalls bei ihren Eltern standen und auch fein herausgeputzt waren und ganz merkwürdig fremd aussahen.
    Er starrte die dunklen Tasten seines Computers an, als sehe er sie zum ersten Mal. Da war das J. Damit mußte er beginnen. Was war daran so schwierig?
    Jesus Christus, tippte er und hielt wieder inne.
    Etwas Schweres, Düsteres schien sich im Inneren seines Körpers zu verdichten. Es fühlte sich bedrohlich an, schwarz und bedrohlich. Und wieder

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