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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Jesu noch karges Ackerland gewesen war, und im Grunde wußte niemand so recht, warum es sie überhaupt gab oder aus welchem Grund sie stand, wo sie stand.
    Das eher düster und geduckt anmutende Kirchenschiff stand genau an der Kreuzung zweier stark befahrener und viel zu enger Gassen, die von den Einheimischen als Schleichwege benutzt wurden, wenn sich der Berufsverkehr auf den Hauptstraßen staute. Die Kirchenfenster waren grau vom Staub und den Abgasen, sogar das allmittägliche Läuten der Glocke in dem niedrigen Kirchturm klang staubig. Was keine Rolle spielte, denn in diesem Viertel lebten mittlerweile vorwiegend Moslems.
    Der Abend des Sabbat war der einzige Abend, an dem die Gassen ruhig blieben. Pater Lukas, ein Franziskanermönch, der mit zwei weiteren Brüdern die elende kleine Kirche am Leben hielt, hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, diese seltene Ruhe zu genießen. Wenn er den letzten Gast aus der Speisungsstube verabschiedet hatte, schloß er nicht wie sonst das Hoftor hinter ihm, sondern setzte sich draußen auf den abgewetzten Steinsims, der den Kirchturm umfaßte, rauchte die einzige Zigarette der ganzen Woche und tat eine Weile lang nichts. Das war es, was sie hier taten: jeden Abend einen Gottesdienst abhalten für die Schwachen, Kranken und Bedürftigen, und danach die Hungrigen speisen. Es gab viele Hungrige, die den Weg hierher fanden, und die wenigsten waren katholisch. Doch danach fragten sie sie nicht.
    Den Armen zu geben verschaffte ihnen auch die Anerkennung ihrer moslemischen Nachbarn. Der Schuhmacher etwa, der sein Geschäft genau gegenüber dem Tor zum Kirchenhof hatte. Ein frommer Mann, der jeden Tag alle vorgeschriebenen Gebete verrichtete, ungeachtet der kuriosen Tatsache, daß er gezwungen war, seinen Gebetsteppich in Richtung christliche Kirche auszurollen, die, wie es der geographische Zufall wollte, genau zwischen ihm und Mekka lag. Wenn Pater Lukas sich am Sabbat mit seiner Zigarette hinaussetzte, war er meist gerade dabei, seinen Laden zu schließen, und dann grüßte er respektvoll, und sie wechselten ein paar Wor-te über die Gasse hinweg.
    An diesem Abend war das Gitter gegenüber schon heruntergelassen, als Pater Lukas aus dem breiten Hoftor trat. Es war auch schon dunkel. Manchmal dauerte es lange. Gut war, wenn es deswegen dauerte, weil jemand das Bedürfnis gehabt hatte, sein Herz auszuschütten. Heute hatte es Streit gegeben zwischen zwei Gästen, den sie nur mit Mühe hatten schlichten können.
    Der Priester zündete sich seufzend seine Zigarette an und lehnte sich dann mit dem Rücken gegen die unebene Mauer des Kirchturms. Was für ein Tag. Normalerweise gelang es ihm, ganz aufzugehen in dem, was er tat, und nicht nach dem Sinn zu fragen. Aber an Tagen wie diesem tauchten Zweifel auf, verräterische, schmerzende Fragen, was er hier eigentlich tat, ob es überhaupt irgendeine Wirkung haben würde und ob er mit seinem Leben nicht etwas Besseres hätte anfangen können, als einem Orden beizutreten und dann die Tage damit zuzubringen, bei Supermärkten, Hotels und Großhändlern Lebensmittel zu erbetteln, um sie abends an streitsüchtige Taugenichtse zu verfüttern.
    Er nahm einen weiteren Zug und wartete, daß diese Gedanken sich verflüchtigten, wie sie es immer taten, wenn er sie lange genug nicht beachtete. Das half bei Kopfschmerzen, und bei Zweifeln half es auch.
    Sein Blick fiel auf eine magere, jämmerlich aussehende Gestalt, die müde die Gasse herabgeschlurft kam. Automatisch überlegte er, was sie noch in der Küche hatten für den Fall, daß dieser Mann… Er hatte dunkles Haar, einen dunklen Teint. Ein Palästinenser vielleicht.
    »Entschuldigen Sie«, rief der Palästinenser in breitem amerikanischem Englisch mit spanischem Akzent,»ich suche einen Taxistand.«
    Pater Lukas hob die Arme, um Nichtwissen anzudeuten.»Gibt es hier nicht«, rief er zurück.
    »Verdammt«, entfuhr es dem dunkelhaarigen Mann, der im Näherkommen doch nicht wie ein Palästinenser aussah. Eher wie ein Mexikaner kurz vor dem Hungertod. Als er die Kutte bemerkte, die Pater Lukas trug, schien er zu erschrekken und sagte:»Oh, entschuldigen Sie, Vater, ich wußte nicht, daß Sie… daß…«
    Er verstummte. Sein Blick wanderte an der Mauer hoch, an der der Priester saß, erspähte die Schlitze des Glockengestühls und das Kreuz auf der Spitze.»Das ist eine Kirche«, stellte er dann fest.
    »Sie sind nicht aus der Gegend, richtig?«
    »Nein, nein. Ich komme aus Bozeman, Montana.

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