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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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treffen, Lupen und Pinzetten bereitzulegen, eine Reihe flacher Plastikwannen nebeneinander aufzustellen und das Objektiv der Kamera zu justieren, die so in ein spezielles Stativ geschraubt war, daß man damit senkrecht nach unten fotografieren konnte.
    Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Stephen schaute auf das elende Häufchen staubigen Papiers, das in dem zerschrammten Blechteller lag und aussah, als bliebe einem nichts mehr übrig, als alles in den Abfall zu kippen. Und das war womöglich seine Schuld. Er war um kein Haar besser als der, der die Bibliothek von Alexandria angezündet hatte.
    Es war kalt in den Laborräumen, aber Stephen schwitzte. Das, erkannte er jäh, war Angst, und er hatte seit Jahren nicht mehr solche Angst gehabt. Wie konnte er da wieder herauskommen, aus diesem Schlamassel? Er hatte doch immer Wege gefunden, um aus brenzligen Situationen herauszukommen. Vor allem war er immer schlau genug gewesen, erst gar nicht in brenzlige Situationen zu geraten. Schlau genug, immer schon lange vorher Lunte zu riechen, Warnsignale richtig zu deuten und rechtzeitig die Bremse zu ziehen oder einen anderen Weg einzuschlagen.
    »Wie sieht’s aus?«brachte er schließlich fertig zu fragen, und seine Stimme fühlte sich rauh und knotig an.
    Yehoshuah schwenkte eine der Leuchtlupen heran und knipste sie an. Er studierte den Fund ausgiebig, ehe er antwortete. Stephen kam es vor wie Stunden.»Schwer zu sagen. Das sind zwei Blatt Papier, die einmal gefaltet, dann ineinan-dergesteckt und noch einmal gefaltet wurden. Schau es dir an.«
    Er schob Stephen die Linse hinüber. In der Vergrößerung sah alles noch viel grauenhafter aus — voller löchriger Stellen, an denen sich das Papier in feinen Staub aufgelöst hatte, zerfaserte, brüchige Ränder, von denen kleine und kleinste Stük-ke abgebrochen waren.
    »Das sieht so aus, als seien die Blätter überhaupt nicht beschrieben worden«, meinte Stephen schwach.
    »Das sieht nur so aus.«
    Judith saß am anderen Ende des Labortisches verkehrt herum auf einem Stuhl, den Kopf lustlos auf die übereinandergelegten Hände gestützt. Als Stephen ihr die Lupe anbot, winkte sie ab. Sie schien das ganze Ambiente zu kennen; wahrscheinlich hatte sie ihrem Bruder hier schon öfter Gesellschaft geleistet.
    Yehoshuah zog die Linse wieder zu sich heran, griff nach einer Pinzette und pickte eines der kleinsten Papierstücke heraus, um es in ein Keramikschälchen zu legen.»Vielleicht finden wir heraus, was für eine Art Papier es ist«, meinte er und holte ein paar der Chemikalienflaschen vom Regal.
    Stephen hatte eine Idee.»Hast du ein Lineal?«
    »Klar. In dem Schrank vor dir. Oberste Schublade.«
    Das Lineal, das er hervorzog, war solide Wertarbeit aus schwerem Stahl, und es hatte auf einer Seite eine metrische und auf der anderen eine Zollskala. Stephen beugte sich damit über das Untersuchungsobjekt.
    »Was hast du vor?«wollte Yehoshuah wissen.
    »Es ist fast vierein viertel Zoll breit und…«- er legte das Lineal behutsam andersherum an -»… fünfeinhalb Zoll hoch.«
    »Ja, und?«
    »Würde man die Blätter auseinanderfalten, wären sie doppelt so hoch und doppelt so breit, also elf auf achteinhalb Zoll«, sagte Stephen und legte das Lineal beiseite.
    »Logisch.«
    Sie begriffen immer noch nicht. Dabei war es wirklich beeindruckend. Stephen sah die beiden an und erklärte:»Das ist das Format, das amerikanisches Briefpapier normalerweise hat.«
    Die»Kirche vom Sämann«war klein, fast nur eine Kapelle, und ebenso unbedeutend, wie sie aussah. Sicher war, daß sie nichts zu tun hatte mit irgendeiner der heiligen Stätten und denkwürdigen Orte, an denen Jerusalem so reich war. Ihr Name mochte sich auf das Gleichnis im Markusevangelium beziehen, wo erzählt wird, wie ein Sämann einen Teil der Saat, die er ausbringt, an die Vögel verliert, einen anderen Teil versehentlich auf felsigen Boden wirft, wo die Keime der Sonnenhitze nicht standhalten können, und einen dritten Teil schließlich einbüßt, weil er unter Dornen gerät, die die Saat ersticken. Nur ein Teil der Samenkörner fällt auf fruchtbare Erde, doch diese sind es, die sich hundertfach vermehren und so alle Verluste wieder wettmachen. Doch dieses Gleichnis hatte Jesus mit Sicherheit nicht an diesem Ort erzählt, sondern im Norden Galiläas, vermutlich in Kapernaum. Die Kirche war vor etwa zweihundert Jahren in einem der an die Altstadt angrenzenden Viertel errichtet worden, einem Gelände, das zu Zeiten

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