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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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defekter Fön, so laut, daß Stephen das Gefühl hatte, man müsse es im ganzen Gebäude hören, und man sah einen hauchfeinen Nebel im Inneren auftauchen.
    »Ein Befeuchter«, erklärte Yehoshuah.
    »Ah«, machte Stephen. Dann, als der andere keine Anstalten machte, seine Vorgehensweise näher zu erläutern, fragte er:»Und wozu das?«
    Yehoshuah lächelte zerstreut. Er würde später einmal einen hervorragenden zerstreuten Professor abgeben.»Papier besteht aus Zellulose. Zellulose ist ein polymerisiertes Polysaccharid. Durch den Alterungsprozeß nimmt der Polymerisationsgrad ab, was zu Brüchigkeit führt. Gleichzeitig wird das Papier hygroskopisch, und deshalb kann durch behutsa-me Wasserzufuhr die Elastizität in gewissem Ausmaß wieder hergestellt werden.«
    »Und dann können wir lesen, was er geschrieben hat.«
    »Das nicht. Aber wir können die Blätter zumindest einmal auseinanderfalten.«
    »Ach so.«
    Das nervtötende Geräusch des Gebläses dröhnte in den Ohren, im Schädel, schien an den Zahnwurzeln zerren zu wollen.
    »Hört man das nicht im ganzen Gebäude?«
    »Nein.«
    Stephen sah zu Judith hinüber, die ihm ein entsagungsvolles Lächeln schenkte. Yehoshuah schien nur noch Augen für das Innere des Befeuchters zu haben.
    »Was für eine Art Papier würdest du denn nehmen?«wollte Stephen wissen.»Wenn du einen Brief schreiben wolltest, der zweitausend Jahre überdauern soll, meine ich.«
    Yehoshuah blickte unverwandt auf das zerbrechliche Artefakt, das in manchen Augenblicken aussah, als sauge es den dünnen Nebel regelrecht auf.»Ich würde überhaupt kein Papier nehmen«, sagte er.
    »Sondern?«wunderte sich Stephen.
    »Plastikfolie. Die gute, alte, unverrottbare Plastikfolie, aus der man früher die Einkaufstüten gemacht hat, ehe man merkte, daß die auf der Müllhalde zum Problem werden. Was du auf eine solche Folie schreibst, übersteht nicht bloß zweitausend, sondern locker zwanzigtausend Jahre und mehr.«
    Das Taxi hielt. George erkannte die fünf silbern schimmernden Wohnwagen, das Zeltlager im Hintergrund, und atmete auf. Sie hatten tatsächlich den Weg zurück gefunden. Das kam ihm wie eine göttliche Fügung vor, auch wenn der Fahrer, ein mürrischer alter Araber, tausendmal no problem gesagt hatte. Dankbar entrichtete er den vereinbarten, atemberaubenden Preis, den sie vor der Fahrt vereinbart hatten -praktisch alle US-Dollar, die George bei sich trug -, versicherte dem Mann, der zwei geheimnisvoll aussehende Narben quer über der Nase hatte und sich ganz aufs Identifizieren und Zählen der grünen Banknoten konzentrierte, noch einmal, daß er sich hervorragend auskenne, und stieg, als der andere fertig gezählt und knurrend genickt hatte, aus. Er wartete noch, bis die roten Rücklichter des Wagens verschwunden waren, ehe er mit dem Aufstieg zum Lager begann.
    Die Nacht war warm und friedlich. Dies, dachte George Martinez aus Bozeman, Montana; bei sic h, war ein denkwürdiger Tag gewesen, der ihm für alle Zeiten in Erinnerung bleiben würde. Hätte ihn jemand gefragt, wie er sich fühlte, er hätte nur antworten können: erfüllt. Alles war vollkommen. Alles war, wie es sein sollte.
    Einer der Wachposten trat auf ihn zu, verlangte seinen Ausweis zu sehen. George reichte ihm das Papier, das ihm am Morgen ausgehändigt worden war, und segnete ihn im stillen.
    »Ah, George«, sagte der untersetzte Mann, über dessen Schulter eine Maschinenpistole hing.»Wir haben heute morgen schon mal miteinander gesprochen. Waren Sie in Jerusalem?«
    George kniff die Augen zusammen. Jetzt erkannte er den anderen.»Ja, ich war in Jerusalem. Ich entsinne mich. Gideon, nicht wahr? Haben Sie immer noch Dienst?«
    »Nein - schon wieder!«Der Mann, auf dessen dunklen, krausen Haaren das Licht der Sterne schimmerte, schien sich zu freuen. Er zog eine Zigarettenschachtel hervor.»Jetzt kann ich mich übrigens revanchieren. Wie hat es Ihnen gefallen?«
    »Es war wunderbar.«Eigentlich hatte George überhaupt keine Lust, das Erlebte zu zerreden, und auch auf eine Zigarette hatte er noch nie so wenig Lust gehabt wie jetzt. Aber er konnte den Israeli nicht gut so stehen lassen, also nahm er eine und ließ sich auch das Feuer dazu geben, und dann standen sie da und pafften vor sich hin.
    »Ziemlich ruhig, was?«sagte George dann nach einer Weile, um zu verhindern, daß das Gespräch wieder auf seinen Ausflug kommen würde.
    »Völlig. So wie die schuften den Tag über, können die abends nur halb tot

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