Das Jesus Video
Vereinigte Staaten von Amerika. Ich bin erst heute morgen angekommen und das erste Mal in Jerusalem…«
»Heute abend werden Sie nicht viel Glück gehabt haben. Am Sabbat ist alles geschlossen.«
»Oh, doch, ich habe viel Glück gehabt. Glauben Sie mir, ich bin heute der glücklichste Mann der Welt. Ich muß nur noch ins Lager zurückkommen, dann… Nein, wirklich. Wissen Sie, morgen muß ich vielleicht schon wieder zurück. Es war gut, daß ich die Chance hatte…«
Der Priester ließ den ausgerauchten Stummel fallen und trat ihn aus.»Von welchem Lager sprechen Sie?«
Der Mann schien ihn nicht zu hören. Er starrte unverwandt die Kirchturmspitze an, und ein verklärtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.»Sagen Sie, Vater«, fragte er langsam,»glauben Sie, Sie könnten mich kurz einmal in Ihre Kirche lassen?«
»Eigentlich haben wir schon lange geschlossen.«
»Ja, ich weiß, ich weiß, entschuldigen Sie. Ich dachte nur, vielleicht… Es würde meine Mutter so freuen, wenn ich ihr sagen könnte, daß ich in Jerusalem gebetet habe. Nur ein paar Minuten? Eine Minute. Bitte…!«
Pater Lukas lächelte. Sonst mußten sie mit kostenlosem Essen werben, um ihre Kirche halbwegs zu füllen. Da würde er einem, der freiwillig hineinwollte, doch keinen Widerstand in den Weg legen. Er zog seinen Schlüsselbund hervor und stand auf.»So lange Sie wollen, mein Freund. Und danach rufe ich Ihnen ein Taxi.«
»Es ist schlechtes Papier«, erklärte Yehoshuah nach einem ausgiebigen Blick durch das Mikroskop.»Richtig mies, um genau zu sein.«
Stephen zuckte mit den Schultern.»Nun sei nicht so streng. Es ist zweitausend Jahre alt.«
»Das meine ich nicht. Ich meine, es ist nicht die Art von Papier, die man für diese Aufgabe nehmen sollte.«Yehoshuah zog den Objektträger mit der winzigen Papierprobe unter dem Objektiv hervor.»Wer immer diese Nachricht geschrieben hat, hatte entweder keine Ahnung von Papier oder keine große Auswahl.«
»Heißt das, wir können nichts damit anfangen?«wollte Stephen wissen.»Alles wertlos?«
»Nein, Unsinn. Das eine oder andere werden wir schon lesbar machen können im Laufe der Zeit. Aber viele Stellen sind regelrecht zu Staub zerfallen, da ist nichts mehr zu retten. Es ist einfach schlechtes Papier. Vielleicht tatsächlich einfaches amerikanisches Briefpapier, wer weiß.«
Stephen mußte ihn ziemlich konsterniert angeblickt haben, denn Judith brach plötzlich in spöttisches Lachen aus.»Yoshi, du mußt ihm, glaube ich, erklären, daß das kein antiamerikanisches Vorurteil ist.«
»Was? Ach so, ja«, fuhr Yehoshuah verdattert hoch.»Es ist einfach so, daß heutzutage viele schlechte Papiere hergestellt werden. Man spart einfach an allem, an den Bindemitteln, den Klebern, den Rohstoffen — und erhält Papiere, die sich von selbst auflösen, von ihrem eigenen Säuregehalt zerfressen werden, lauter solche Geschichten. Am schlimmsten sind Umweltschutzpapiere. Es gibt Finanzämter in Europa, bei denen die auf Umweltschutzpapier gedruckten Steuerbescheide sich schon vor Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist anfangen aufzulösen.«
»Aber das ist doch kein Umweltschutzpapier, oder?«Es sah schon verdächtig grau aus, wie es da in seinem armseligen Metallteller lag.
»Nein, sonst wäre nichts übrig. Aber ein besonders haltbares Papier ist es auch nicht gerade.«Yehoshuahs Blick bekam wieder diesen geistesabwesenden Glanz, der ihn wie einen richtigen Wissenschaftler aussehen ließ.»Das stützt deine Theorie sogar, Stephen. Derart schlechtes Papier wurde früher überhaupt nicht hergestellt.«
»Du machst Witze.«
»Nein. Altes, handgeschöpftes Hadernpapier ist heute noch so gut wie damals, im vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert.«
»Willst du im Ernst behaupten, daß man heutzutage kein Papier herstellt, das es in Sachen Haltbarkeit mit Papier aus dem vierzehnten Jahrhundert aufnehmen kann?«
»Doch, selbstverständlich. Unser Unbekannter hat nur darauf verzichtet, es zu benutzen. Fragt sich, wieso«, meinte Yehoshuah versonnen, nahm den Teller mit den fragilen Überresten der schriftlichen Grabbeigabe und trug sie behutsam ans andere Ende des Labors, zu einem Ding, das aussah wie ein überdimensionaler Mikrowellenherd, und selbstgebaut noch dazu. Er plazierte den Teller mit dem Papier sorgfältig in die Mitte, schloß die Glastüre und drückte dann auf einen dicken grünen Knopf. Im uneinsehbaren Rückteil des Apparates fing irgendein Bauteil an zu lärmen wie ein
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