Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
unlängst eingestanden, dass sie sich in diesem Fall geirrt hat, doch sie hat es ziemlich missmutig und immer doppeldeutiger getan. Doch was ist mit allen anderen großen und kleinen Fällen?
Ein beachtlicher Anteil der Menschen im Westen geht im Wesentlichen rational an das Leben und seine Probleme heran. Im Gegensatz dazu führen vielleicht dreißig Prozent ihr Leben in strikter Übereinstimmung mit religiösen Glaubenssätzen der einen oder anderen Art. Allerdings werden Kirchen oder Synagogen nicht so regelmäßig aufgesucht wie Moscheen. Die meisten Menschen machen sich um die Art, wie sie leben sollten, keine großen Gedanken. Sie führen ihr tägliches Leben gewohnheitsmäßig, von Launen geprägt … Ist diese Feststellung wirklich so pessimistisch? Wie viele Leute kommen von der Arbeit nach Hause, schalten den Fernseher ein und ihr Gehirn ab?
Mobiltelefone und das Internet sind hilfreich, doch die Einstellung ihnen gegenüber kommt oft der Religion näher als der Vernunft: Man betrachtet sie als etwas Übernatürliches, vielleicht von Dämonen Bewirktes. Sie wissen, was wir meinen, wenn Sie aus der Zeit vor den Mobiltelefonen stammen: Es sind Wunderdinge. Wie Arthur C. Clarke schrieb: »Jede hinreichend entwickelte Technik unterscheidet sich nicht mehr von Magie.« Das war das Hauptthema von Die Gelehrten der Scheibenwelt , insbesondere in Benfords alternativer Formulierung: »Jede Technik, die sich von Magie unterscheidet, ist nicht hinreichend entwickelt.«
Viele Kambodschaner, besonders unter den Bergstämmen, sind Animisten. Sie glauben, dass Geister allgegenwärtig sind: im Wasser, in den Bäumen, in den Wolken. Sie haben Schamanen, Stammes-»Doktoren«. 2011 erhielt Ian einen interessanten Einblick ins Schamanentum, als er ein kambodschanisches Dorf besuchte. Ein Kind war krank, und der Schamane führte eine Zeremonie durch, um böse Geister auszutreiben und die Gesundheit wiederherzustellen. Interessant daran war die Tatsache, dass der Stamm das Mädchen tags zuvor zu einem herkömmlichen Arzt geschickt hatte, der Antibiotika verschrieben hatte. Natürlich musste der Schamane diese Behandlung mit der richtigen Zeremonie bekräftigen und so dafür sorgen, dass ihm das Verdienst an der Genesung zugeschrieben wurde. Die Dörfler sahen wahrscheinlich kaum einen Unterschied zwischen den Antibiotika und dem Ritual – aber ein Stammesmitglied, vielleicht der Häuptling oder eine seiner beiden Frauen, war vernünftig genug gewesen, beide Methoden anzuwenden. Menschen- und universumbezogenes Denken in einer unheiligen Allianz.
Die großen Weltreligionen sehen oft auf den Animismus hinab, weil der Glaube an mehrere Götter, Polytheismus, lächerlich sei. Die intelligente Vorgehensweise ist der Monotheismus, der Glaube an einen Gott. (Oder, im Fall der Unitarier, an höchstens einen Gott.) Aber ist der Monotheismus der große Schritt nach vorn, wie so fraglos angenommen wird?
Er hat einen entschiedenen Vorzug: Unifikation (Vereinheitlichung). Er schreibt alle rätselhaften Eigenheiten des Universums einer einzigen Ursache zu. Der Glaube an einen Gott ist weniger beschwerlich als der Glaube an Dutzende von Göttern. Er ist sogar mit Ockhams Rasiermesser vereinbar.
Wenn man Thomas von Aquins ontologischen Gottesbeweis in seiner Summa theologica heranziehen will, dann ist Monotheismus unvermeidlich. Er schlägt uns dort vor, »das größte denkbare Wesen« zu bedenken. Würde es nicht existieren, dann gäbe es ein größeres denkbares Wesen: ein Wesen, welches existiert. Das ist gewiss größer als ein inexistentes größtes Wesen. Also existiert Gott, q.e.d. Zudem ist Er einzigartig: Es kann nicht zwei größte Wesen geben. Jedes müsste größer sein als das andere.
Logikern und Mathematikern ist jedoch schmerzlich bewusst, dass dieser Beweis fehlerhaft ist. Bevor man eine Charakteristik einer Wesenheit benutzen kann, um auf ihre Eigenschaften zu schlussfolgern, muss man einen unabhängigen Beweis führen, dass solch eine Wesenheit existiert.
Das klassische Beispiel ist ein Beweis, dass die größte ganze Zahl 1 ist. Bedenken Sie die größte ganze Zahl. Ihr Quadrat ist mindestens ebenso groß, also muss sie gleich ihrem Quadrat sein. Die einzigen ganzen Zahlen, die diese Bedingung erfüllen, sind 0 und 1, wovon 1 die größere ist. Q.e.d. Nur dass 1 offensichtlich nicht die größte ganze Zahl ist. Zum Beispiel ist 2 größer.
Hoppla.
Was ist falsch? Der Beweis setzt voraus, dass es eine größte
Weitere Kostenlose Bücher