Das juengste Gericht
bemerkte meinen Blick und sagte, ich solle nicht so tun, mein Mann hätte das auch gerne.«
Ellen Krawinckel trank wieder ein paar kleine Schlucke. Sie formte die Augen zu schmalen Schlitzen und zeigte mit dem Finger auf Diener. »Ich habe neulich schon zu Ihrem Kollegen da gesagt, dass sie ein raffgieriges Flittchen war. Er hat mir nicht geglaubt.«
Sie starrte mit empörtem Gesicht in die Runde, sammelte sich allerdings wieder. »Sunita sagte, dass sie mit mir reden müsse. Ihre Sprache war streckenweise gewöhnungsbedürftig. Sie meinte, es sei nun Zeit, dass mein Angetrauter seine Finger von ihr lasse. Ihr reiche es jetzt. Wenn er ihren Bitten nicht entspreche, werde sie ihn auffliegen lassen. Da ich mich sorgte, einer der Bediensteten werde mithören, bat ich sie, mit mir in mein Zimmer zu kommen. Dort ist es dann passiert.«
Schultz sah ratlos in die Runde und nahm dann wieder Blickkontakt zu Ellen Krawinckel auf. »Das müssen Sie mir erklären. Was ist denn geschehen, nachdem Sie Ihre Privaträume aufsuchten?«
»Sie sah das Bild von Kellermann und mir. Ich hatte dummerweise meine Brieftasche offen auf dem Tisch liegen. Das Foto muss herausgerutscht sein. Dieses Luder hat sofort die Tragweite kapiert. Nicht dass Phillip etwas dagegen gehabt hätte, wenn ihm bekannt geworden wäre, dass ich mich anderweit amüsiere. Aber er wollte nichts davon wissen. Diskretion war bei allem die Hauptsache. Schon gar nicht durfte etwas hinter den Kulissen im eigenen Hause passieren, was das Ansehen von uns und die Distanz zu den Bediensteten in Frage stellte. Das Gesicht von Sunita verriet, dass ihr all dies auf Anhieb klar war.«
»Bleiben wir erst einmal bei dem Grundanliegen, weshalb Sunita zu Ihnen gekommen war. Sie sagen, dass sie mit Ihrem Mann nichts mehr zu tun haben wollte. Warum hat sie ihm das nicht selbst gesagt?«
»Sie hat es versucht, aber Phillip verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Besser gesagt, er wollte es nicht begreifen. Die ganze Zeit zuvor war Sunita den Wünschen Phillips widerspruchslos gefolgt, ohne Fragen zu stellen. Das lag an ihrer Erziehung in der Kindheit. Ihr war eingetrichtert worden, dass das ganze Leben darin bestehe zu leiden. Hieran könne man nichts ändern. Das sei Gesetz. Deshalb konnte Sunita selbst Dinge, die sie gefühlsmäßig völlig ablehnte, dulden und ertragen. Sie nahm das Leben hin, wie es sich ihr darstellte. Davon profitierte Phillip.«
»Und nun kam sie plötzlich zu Ihnen und wollte nicht mehr weiter das gefügige Spielzeug Ihres Gatten sein. Was war geschehen?«, fragte Diener.
»Ganz einfach. Sie war zur Frau geworden. Kurz zuvor hatte sie erstmals ihre Monatsregel bekommen. Phillip hatte mir davon erzählt. Sie sei schwierig und eigenwillig geworden. Er meinte, das lege sich wieder. Wahrscheinlich seien nur die Hormone durcheinandergeraten. Ich hatte einen anderen Eindruck.«
Schultz stutzte. Er machte ein verwundertes Gesicht. »Welchen?«
»Sie trat auf wie eine launische Diva, sehr bestimmt. Sie sagte, Sie würde Phillip anzeigen, wenn ich nicht umgehend für die Beendigung seiner Nachstellungen sorgen würde. Sie wäre lange genug geduldig gewesen. Nicht einmal seine Versprechungen, ihr im Gesangsoder Modebereich Zugang zu verschaffen, habe er eingehalten. Sie lasse sich nicht weiter ausnutzen. Mit Phillip darüber zu reden, mache keinen Sinn. Sie habe dies versucht. Er nehme sie nicht ernst, gebe sich überlegen und tue sie wie ein Kind ab. Offenbar halte er sich aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung für unantastbar. Es könne vielleicht so sein, dass alle übrigen Menschen seines Umfelds in ihrer Angst und Abhängigkeit kuschten. Für sie gelte das nicht, jedenfalls nicht mehr. Phillip sei ein geiler, alter Egoist, der seine Primitivität mit angelernter Vornehmheit überspiele. Mir machte das deutlich, dass sie unberechenbar und gefährlich geworden war.«
»Die ich rief, die Geister«, murmelte Schreiner vor sich hin. Keiner der Beteiligten ging näher darauf ein. Nur Schultz machte mit den Augen und Schultern Bewegungen, die verrieten, dass er die geschilderte Entwicklung ebenfalls für zwangsläufig hielt. »Ausgerechnet in diesem Zusammenhang hatte nun Sunita das Foto von Ihnen und Herrn Kellermann gesehen?«
»Genau! Damit verschärfte sich ihre Attacke. Sie drohte mir unverhohlen, dass sie Phillip davon erzählen werde, wenn ich nicht für eine Lösung der Situation sorgen würde.«
»Brauchen Sie eine Pause?«, fragte Rechtsanwalt
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