Das juengste Gericht
wird sich zeigen. Immerhin beruht alles nur auf der Behauptung von Phillip Krawinckel. Außerdem könnte die Sache verjährt sein.«
Schultz lachte. »Sei mir nicht böse. Wenn du glaubst, dass das heute erledigt werden soll, kannst du es alleine machen. Ich muss jetzt unbedingt zu meiner Frau ins Krankenhaus. Sonst wird es zu spät für heute.«
Epilog
»Kommen Sie! Sie dürfen hinein!« Die Stationsschwester, ein herber, bärbeißiger Typ im blütenweißen Leinenkittel, hielt Schultz die Tür zum Krankenzimmer seiner Frau auf und machte eine einladende Handbewegung. Schultz schaute auf seinen gekrümmten Zeigefinger, mit dem er gerade hatte anklopfen wollen, bedankte sich und trat ein.
Als er die frischen, entspannten Gesichtszüge seiner Frau in erheblichem Kontrast zu dem weißen Kopfkissen antraf, auf dem sie ruhte, strahlte er. »Wie geht es dir? Du siehst blendend aus. Da ich nicht wusste, wie lange du noch hierbleiben musst, habe ich wieder etwas Wäsche und ein paar Zeitungen mitgebracht.« Er hob die schwarze Ledertasche, die er mitführte, auf einen runden Hocker. »Ich bin früh für meine Verhältnisse, nicht wahr? Unten am Main, in der Höhe vom Eisernen Steg, ist gerade, als ich ankam, ein Parkplatz frei geworden.« Schultz nestelte am Reißverschluss der Tasche herum und bemerkte nicht, dass seine Frau ihn wegen seiner begrenzten Geschicklichkeit auslachte. Endlich war er erfolgreich und blickte auf. Er sah verlegen aus. »Also, wann darfst du nach Hause? Was haben die Ärzte gesagt?«
»Morgen! Bei der Visite heute war alles okay. Meine Befunde sind prächtig, sagt der Doc. Die Laborwerte haben keine Hinweise auf Bösartigkeit ergeben.«
Schultz ließ sich am Fußende auf das Bett fallen. »Halleluja! Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er tupfte sich mit dem Finger unter die Augen. »Es macht mich froh.«
Traudel erkannte, dass ein Themenwechsel anzustreben war.
»Was macht dein Fall Krawinckel? Hast du ihn hinter dir?«
Mit der flachen Hand schlug sich Schultz auf den Oberschenkel. »Wir haben die Nuss geknackt.« Er erzählte Traudel ausführlich von den Geschehnissen der letzten Tage.
Als Schultz geendet hatte, starrte Traudel ihn an und schüttelte den Kopf. »Wer hätte das gedacht? Wirtschaftskriminelle Geschichten haben wir ihm immer zugetraut. Aber nicht so etwas. Das ist ja eine ganz andere Richtung.«
Schultz schaute sie mit versonnenem Blick an. »Man glaubt nicht, wie vielfältig sich die Dinge entwickeln können. In diesem Fall haben wir die breite Palette von Liebe und Gewalt erlebt. Da war Liebe aus Dankbarkeit, aus Existenzangst, aufgrund biologischer Fehlsteuerung, aus der Macht der Triebe und aus vielen anderen Beweggründen.« Er zuckte die Schultern. »Und beim Gegenstück, der Gewalt, war es genauso bunt. Vom Zuschlagen bis zur subtilen Drohung, vom psychischen Zwang bis zum Ködern mit Vorteilen, von der Ausnutzung einer Machtstellung bis hin zur furchtbaren körperlichen Vernichtung.«
Traudel nahm seine Hand. Sie spürte, dass der Druck der letzten Tage noch immer stark auf ihm lastete. »Jetzt schalte erst einmal ab. Unsere Liebesgeschichte ist und bleibt sowieso die schönste. Aufgrund meines Krankheitsverlaufs haben wir nun wieder allen Anlass, uns gerne daran zu erinnern. Weißt du noch? Im Café Bauer gegenüber von der alten Universität an der Bockenheimer Warte?«
Er strich sich über den Bart und nickte. »Natürlich. Ich wollte mir vom Nachbartisch die Zeitung herüberholen und habe übersehen, dass neben mir gerade meine Kaffeetasse im Weg war. Der ganze Kaffee ergoss sich über meine Hose. Wie peinlich.«
Sie lachte laut auf. »Jetzt guckst du wieder wie damals. Noch schlimmer wurde es, als ich vom Nachbartisch aus auf dich zukam und dir in deinem Erstarrungszustand behilflich sein wollte. Du hast dich ständig bei mir für die Unannehmlichkeiten entschuldigt.«
»Als du endlich genug von meiner Ratlosigkeit und mir mit einer Serviette und heißem Wasser ausgeholfen hattest, hast du mich im Anschluss zu einem Kaffee eingeladen. Das war das Ende der Geschichte.«
»Nein. Das war der Anfang. So viel zum Thema Liebe. Das Gegenstück, die Gewalt, wollen wir nicht vertiefen.«
»Vielleicht doch, weil auch ich ein Opfer sein könnte.«
Traudels Gesicht glich einem einzigen Fragezeichen. »Jetzt komme ich nicht mehr mit.«
»Ich sprach doch von der subtilen Gewalt und dem Ködern.«
»Und weiter?«
»Es könnte sein, dass ich für meine
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