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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Angelegenheit du hier vortragen sollst. Du weißt, Ministerialbeamte sind ungeheuer neugierig.«
    »Sagt dir der Name Phillip Krawinckel noch etwas? Er spielte vor Jahren eine Rolle in einem Verfahren, das du bearbeitet hast.«
    »Krawinckel? Klar, das ist doch der Geldsack aus Bad Homburg. Ein Stinker, wenn du mich fragst. Was werft ihr ihm Schönes vor?«
    »Bisher nichts Konkretes. Wir haben einen Fall, bei dem ein junges Mädchen ums Leben gekommen ist. Unfreiwillig, versteht sich. Krawinckel geht bei ihrer Familie ein und aus und soll sich gelegentlich um das Kind gekümmert haben. Der Adoptivvater des Opfers heißt Wolfgang Beuchert. Gegen ihn hast du vor Jahren einmal wegen Betruges ermittelt. In diesem Verfahren soll laut Polizei Krawinckel eine Rolle gespielt haben. Erinnerst du dich daran?«
    Thilo Nachtigall machte ein nachdenkliches Gesicht. Es dauerte, bis er antwortete. »Du wirst es nicht glauben. Ich erinnere mich tatsächlich an den Fall. Ich weiß nicht mehr, was diesem Beuchert vorgeworfen wurde. Dafür habe ich die Umstände der Beteiligung von Krawinckel noch weitgehend im Kopf. Es gab keinen halbwegs begründbaren Verdacht für einen strafbaren Tatbeitrag zu den Betrügereien von Beuchert. Nur die Vermutung stand im Raum, dass ein Typ wie Krawinckel bestimmt einem Würstchen wie Beuchert nicht geholfen hätte, ohne irgendwie von der ganzen Sauerei profitiert zu haben. Das war allerdings nur ein Gefühl oder eine Art Menschenkenntnis oder Lebenserfahrung. Nenne es, wie du willst. Zu einer Überführung dieses Kerls reichte das natürlich nicht. Leider!«
    Schultz druckste herum. »Nichts für ungut. Es bleibt ja unter uns, Thilo. Aber waren die Beweise tatsächlich nicht ausreichend, oder hat der entsprechende Druck von oben dafür gesorgt, dass er nicht verfolgt wurde.«
    Ein Lächeln überflog die faltigen Gesichtszüge von Nachtigall. Seine Stimme wurde lauter. »Nein. Es konnte schon deshalb keine Weisungen des Ministeriums oder des Generalstaatsanwalts an uns geben, weil wir nie ein förmliches Verfahren gegen Krawinckel eingeleitet haben. Er war nie Beschuldigter in dem Fall. Deshalb hättest du ihn auch, abgesehen vom Zeitablauf, in keiner Kartei gefunden. Es lagen einfach nicht genügend Belastungsmomente gegen ihn vor. Das ist alles.«
    Mit beiden Armen vollzog Schultz eine Bewegung, als wollte er Wäsche ausschütteln. »Um Gottes willen, Thilo. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass du die Sache unter den Teppich gekehrt hättest. Die Frage ging nur dahin, ob versucht worden ist, Einfluss zu nehmen.« Andeutungsweise schüttelte Nachtigall den Kopf. »Nochmals ein klares Nein. Das wäre zu der Zeit, als der Fall ermittelt wurde, nicht mehr möglich gewesen.«
    »Das verstehe ich nicht. Kannst du mir das näher erklären?«
    »Natürlich. Wie du weißt, bin ich ein Kind der sogenannten 68er-Bewegung. Die Angst vor staatlicher Autorität und das durchgängige Empfinden » Die machen sowieso, was sie wollen « war nach dieser Periode kräftig durcheinandergewirbelt worden. Nichts war mehr so wie vorher. Alles war in Frage gestellt worden. Als Ergebnis gab es eine neue Werteordnung. Ich will jetzt weder einen gesellschaftspolitischen Vortrag über diese Zeit halten, noch möchte ich die dämliche Behauptung aufstellen, danach sei alles eitel Sonnenschein gewesen. Jedenfalls hatte aber die Demokratie einige neue und bessere Spielregeln bekommen. Dazu gehörte, dass man unbeschadet auch Menschen aus gesellschaftlichen Spitzenpositionen verfolgen und nötigenfalls verhaften konnte. Daran siehst du, dass ich dir nichts vormache. Dennoch hast du den Finger auf eine Wunde gelegt.«
    Schultz blickte Nachtigall mit einem verlegenen Lächeln an und blies dann den Rauch seiner Zigarre in Kringeln zur Decke.
    »Erzähl! Jetzt hast du mich neugierig gemacht.«
    Mit verschränkten Armen lehnte sich Nachtigall in seinen Schreibtischsessel zurück. »Die eigentlich spannende Frage ist, wie Krawinckel an seine Bank gekommen ist. Es wird immer kolportiert, dass sich dieser Wohltäter der Menschheit und edle Spender alles selbst erarbeitet und dadurch seine gesellschaftliche Position erworben habe. Soll ich dir sagen, wie es war?« Nachtigall legte eine Kunstpause ein. »Krawinckel ist in eine bereits eingeführte Bank eingetreten. Zwei Onkel von ihm hatten sie schon mit der Absicht gegründet, die Kunden zu betrügen. Sie taten alles, was der liebe Gott

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