Das Jungmädchenbett
das unbehagliche Gefühl ab, das durch das eigenartige Verhalten der fremden Frau ausgelöst worden war, und ging zurück in den Unterrichtsraum. Carl Burlén hatte sich inzwischen schon angezogen und stand an seinen Schreibtisch gelehnt. Er war damit beschäftigt, einen Haufen Manuskripte durchzublättern. Als er hörte, wie Lena ins Zimmer trat, hob er schnell den Kopf und blickte lächelnd in ihre Richtung.
»Ich glaube, daß es am besten ist, wenn wir für heute Schluß machen«, sagte Lena direkt.
Carl Burlén sah zunächst etwas verblüfft drein, lächelte dann aber schnell und nickte zustimmend. Etwas zu jovial, wie Lena fand.
»Ja, natürlich, das ist doch ganz selbstverständlich. In der Zeit, die wir noch haben, hätten wir sowieso nicht mehr viel geschafft. Ich möchte dir übrigens vorschlagen, daß wir deinen Stundenplan ein bißchen ändern.« Er hielt das Manuskript hoch, in dem er gerade blätterte. »Ich habe vor ein paar Tagen eine Rolle bekommen, die ich in rasend kurzer Zeit einstudieren muß, und deshalb finde ich, daß es besser ist, wenn du zuerst deinen Unterricht in Gestaltung absolvierst. In ein paar Wochen wirst du damit fertig sein, und dann kannst du wieder zu mir zurückkommen. Aber wenn du willst, können wir uns natürlich trotzdem treffen«, fügte er rasch hinzu. »Sozusagen ein wenig außerhalb der Pflicht.«
Lena erwiderte nichts, sondern zog sich nur ihren Mantel an und verschwand ohne Abschiedsgruß. Sie wußte nicht recht warum, aber Carls letzte Worte hatten geklungen, als hätte ein ekelhafter, alter Lustgreis mit ihr gesprochen und nicht ein männlicher Schauspieler, der an diesem Theater die Funktion des ersten Liebhabers hatte. Mit einemmal fühlte sie sich schmutzig. Tränen traten ihr in die Augen, und im Hals fühlte sie einen dicken Kloß. Mit schnellen Schritten rannte sie auf die Straße, um dieses unangenehme Gefühl loszuwerden und wieder frische Luft zu atmen.
Sie lief noch eine ganze Weile ruhelos durch die Stadt, um wieder zu sich zu kommen; sie ging erst dann zu ihrem Bus, der sie nach Hause bringen sollte, als sie sich gut durchgelüftet und völlig wiederhergestellt fühlte.
Als sie zu Hause war, hatte sie nicht die Kraft, mit irgendeinem aus ihrer Familie zu sprechen. Sie fühlte all die unausgesprochenen Fragen, die in der Luft hingen, äußerte sich aber nicht zu dem, was sie bewegte, sondern nahm sich einfach ein Butterbrot und schloß sich dann in ihrem Zimmer ein. Dort setzte sie sich hin und hörte sich geistesabwesend ein paar Platten an, bevor sie sich allmählich auszog und ins Bett kroch, um in einen unruhigen Schlaf zu fallen.
III
Am nächsten Morgen wurde sie durch den Lärm in der Küche geweckt, in der ihre beiden Brüder ihren Morgenkaffee bekamen, bevor sie zur Arbeit verschwanden.
Es war ihr unmöglich, wieder einzuschlafen. Sie stand also auf und ging ins Badezimmer, um zu duschen.
Als sie sich hinterher abtrocknete, stellte sie sich vor den Spiegel, um sich prüfend anzusehen. Ihr war nämlich die fremde Frau eingefallen, die sie im Umkleideraum des Theaters beobachtet hatte. War sie vielleicht an Lenas Körper interessiert gewesen? Lena folgte den geschmeidigen Linien ihres Körpers mit den Augen: Über den hochnäsig festen Brüsten ging es weiter zu den lecker gerundeten Hüften und dem daunenbeflaumten Hügel, dessen Spitze zwischen den wohlgeformten Schenkeln verschwand.
Eine eigenartige Erregung breitete sich in ihrem Körper aus, als sie daran dachte, daß die andere Frau vielleicht geil geworden war, weil sie sie nackt gesehen hatte.
Lena ließ beide Hände der leichten Rundung des Bauches folgen, streichelte sanft über ihre weiche Haut und rieb sich dann plötzlich erregt den Kitzler. Sie dachte an einen Tag vor zwei Jahren zurück, an einen Tag blitzenden Sonnenscheins, an dem sie zum erstenmal erfahren hatte, wieviel Freude zwei Frauen einander schenken können, in welche Höhen sie sich führen konnten, wenn sie...
»Willst du da drinnen Wurzeln schlagen?«
Die Stimme ihres Vaters holte sie in die Wirklichkeit zurück, und sie riß erschreckt ein großes Badehandtuch an sich, das sie notdürftig um die Hüften schlang, bevor sie in ihr Zimmer zurückging.
Dort ließ sie das Handtuch zu Boden fallen und warf sich aufs Bett. Sie schloß die Augen und versuchte, das Gefühl von damals wieder aufleben zu lassen, die Erinnerung an die kurzen, hitzigen Sommertage, an denen sie vollends in das herrliche Wunder der
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