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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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hatte. Stimmt es wirklich, dass sich die Erde um die Sonne bewegt und nicht andersherum, wie wir es in der Schule lernen?
    Ist das alles? Ja, Petra Kronos. Die Erde bewegt sich um die Sonne. Er zeigte zum Himmel und zeichnete mit dem Finger den weißen Strom der Sterne nach, der die Milchstraße bildet, die sich über ihnen in einer gebogenen Linie krümmte.
    Und die Sonne und die Erde sind nur kleine Punkte zwischen vielen, vielen anderen Dingen, die sich um einen Teil der Galaxis drehen, der die Form einer Spirale hat.Wir stehen an einem bestimmten Punkt dieser Spirale, du und ich. Die Milchstraße, die
sich über uns wölbt, ist eine Spirale, die sich in unseren Augen zu einer Linie abgeflacht hat.
    Petra sagte nichts.
    Lass uns doch Verbündete sein, Petra, wenn wir schon nicht gerade Freunde sind.
    Ich denke darüber nach , sagte sie.

Das Allerschönste
    IN DER Morgendämmerung trat Josef vor das »Haus zum Kompass«. Er zwinkerte.
    Ein schlafendes Mädchen hing krumm über einem Pferd. Ihr Kleid hatte Wasserflecken und war schmutzig, ihr Gesicht in der Mähne verborgen, doch es war ihr Haar - kürzer, als er es in Erinnerung hatte, und weniger verfilzt, als er gedacht hatte. Nun glaubte er zu wissen, wer das Mädchen war, denn ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie das seiner Frau. Er hatte es kaum zu hoffen gewagt, als er das Mädchen gesehen hatte, doch nun war er sicher: Das war Petra.
    Er nahm sie vom Pferd auf die Arme, als würde sie nicht mehr als Luft wiegen. Sie murmelte etwas. Er ging mit ihr ins Haus und rief: »Dita! Mikal!«
    Aber es war David, der als Erster angerannt kam. »Wer ist das? Wer ist das?«, schrie er aufgeregt. Dann sah er, wen sein Vater trug. »Petra!«
    »Hol deine Mutter«, befahl ihm Josef.
    »Immer wird mir gesagt, ich soll jemanden holen«, beschwerte sich David.

    Josef runzelte die Stirn.
    David drehte sich um und rannte die Treppe hoch.
    Petra wachte allmählich auf, doch sie fühlte sich benommen. Ihre Kehle brannte wie Feuer und das Atmen fiel ihr schwer. Astro? , dachte sie verwirrt. Bin ich wirklich zu Hause?
    Ja, aber ich glaube, du bist krank.
    »Josef«, krächzte sie.
    Er lächelte sie an. Dann trug er sie die Treppe hinauf und in ihr Zimmer, wo er sie auf dem Bett absetzte. Er sagte ihr, sie sollte sich hinlegen, doch sie weigerte sich. »Mir geht es gut«, beharrte sie.
    Dita kam, blieb in der Tür stehen und starrte Petra ungläubig an. Petra wappnete sich, denn sicherlich würde Ditas Zorn fürchterlich sein. Sie wartete darauf, dass ihre Cousine ihr Schweigen brechen würde, wartete, dass ihre Cousine sie beschimpfen würde.
    Doch zu ihrer Überraschung tat Dita nichts dergleichen. Sie kam einfach durch das Zimmer auf sie zu, strich ihr das Haar aus dem Gesicht, blickte sie an und hielt sie fest. »Wir haben gedacht, du wärst tot«, sagte sie. Ihre Stimme bebte.
    »Ist das wahr?« Mikal Kronos stand in der Tür, David führte ihn an der Hand. »Sie ist doch nicht etwa wirklich hier? Und wohlbehalten?«
    »Doch, Vater«, sagte Petra. »Und ich habe deine Augen mitgebracht!«
    »Du hast... was?« Er ließ Davids Hand los und tastete sich an der Wand entlang bis zu einem Stuhl, auf den er sich niederließ. Astrophil schoss durch das Zimmer und
kletterte auf sein Knie. Dita, Josef und David starrten Petra an.
    »Das hast du nicht«, spöttelte David.
    »Hab ich wohl!« Die Krankheit war vergessen, und sie stürzte sich aufgeregt und voller Energie in die ganze Geschichte, ab dem Moment, als Neel versucht hatte, ihr den Geldbeutel zu stehlen, bis zu dem Traum in der letzten Nacht. Josef hörte mit unbewegtem Gesicht zu. Ditas Reaktionen konnte Petra nicht sehen, denn die Frau saß neben Petra auf dem Bett und hatte den Arm um sie gelegt. David war wie festgenagelt. Er sah angespannt aus bei den Stellen, die Petra Angst gemacht hatten, lachte, wenn es lustig wurde, und zog die Nase kraus, wenn sie von einem Problem erzählte, das sie zu lösen hatte. Doch als Petra fertig war und sich Schweigen über den Raum legte, sagte David nur: »Das ist eine wahnsinnige Geschichte, Petra, aber ich glaube kein Wort davon.«
    »Vielleicht glaubst du eher das.« Sie griff in die Tasche und zog die Augen ihres Vaters heraus. Dann lagen sie auf ihrer Handfläche.
    »Das sind die, die Meister Stakan gemacht hat«, sagte David.
    »Das denkst du. Vater wird den Unterschied erkennen.« Sie ging zu ihm und drückte ihm die Augen in die Hand.
    Petra blieb vor ihm stehen und wartete darauf,

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