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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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gespielt.«
    »Stimmt das? Habt ihr auch daran gedacht, dass ihr die Zeit eines Polizisten verplempert? Macht ein großes Geschiss um nichts? Macht alle Leute wütend?«
    »Das tut mir sehr leid. Ihr habt recht. Wir haben nicht
nachgedacht. Wir haben nur ›Fang das Schweineschwänzchen‹ gespielt.« Sie funkelte den Jungen an, damit er sich still verhielt.Warum tischte sie dem Polizisten solche Märchen auf? Sie hielt den Jungen mit der rechten Hand weiter gut fest, denn sie hatte den Verdacht, dass er nicht zögern würde, bei der erstbesten Gelegenheit wegzurennen, und das mit ihrem Geldbeutel, den er irgendwo in seinen Kleidern verstaut haben musste.
    »Hinterwäldler und ihre idiotischen Spielchen. Ich hätte gute Lust, euch beide festzunehmen, weil ich mich über euch geärgert habe.« Der rote Bart des Polizisten bebte, als er die Stirn runzelte. »Es sei denn, ihr liefert mir einen guten Grund, warum ich das nicht tun sollte.« Er blickte Petra bedeutungsvoll an. Zu ihrer Überraschung machte der Junge dasselbe. Die beiden schienen von ihr zu erwarten, dass sie etwas tat.
    »Also. Ja. Hmm, es tut mir wirklich sehr leid. Uns beiden. Wir...«, stammelte sie.
    »Petra.« Astrophils gedämpfte Stimme in ihrem Ohr klang müde, als könnte er nicht glauben, dass er das erklären musste. »Er will Schmiergeld.«
    »Oh! Natürlich!« Der Polizist und der Junge entspannten sich, als sie in die Tasche langte und mit der linken Hand zwei kleine Münzen herauszog. Sie ließ sie in die ausgestreckte Hand des Mannes fallen.
    »Ist das alles?« Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen.
    »Also, meine Leute, das sind nur arme Rapsbauern.« Sie warf dem Jungen einen Blick zu, der besagen sollte: »Ich
kann dich auch wieder fangen«, und ließ ihn langsam los. Dann steckte sie die Hände in die Taschen und kehrte das Innere nach Außen, um zu zeigen, dass sie leer waren. Der Junge machte dasselbe.
    »Gassenbengel.« Der Polizist räusperte sich, drehte sich um und stapfte davon.
    Sobald er weg war, stürzte sich Petra auf den Jungen und fuhr mit beiden Händen unter sein Hemd.
    »He!«, schrie er. »Du falsches Aas!«
    Sie rupfte ihren Geldbeutel unter einer seiner Achseln hervor.
    »Ich hätte ihn zurückgegeben! Lass einem guten Kerl doch eine Chance!« In seinem schmutzigen und verschwitzten Hemd, das nun verrutscht war, wich er stolpernd vor ihr zurück.
    Sie blickte ihn an und sah dann in ihren Geldbeutel, um sich zu vergewissern, dass noch alles drin war.
    Der Junge baute sich vor ihr auf und ordnete sein Hemd. »Also, normalerweise würde ich von dir jetzt erwarten, dass du mir ein Frühstück kaufst, wo du mich doch fast auf die Galeeren geschickt hättest. Aber« - er grinste, als er ihren empörten Blick auffing - »da du eine Dame bist und ich ein Herr bin, denke ich, sollte das mein Vergnügen sein.«
     
     
    Als sie gemeinsam durch die dicht bevölkerten Straßen gingen, fragte sie den Jungen: »Ist das so offensichtlich?«
    »Was, dass du frisch aus dem Hinterwald kommst, wie es der von der Schmiere gesagt hat? Nur zu richtig, es ist ganz offensichtlich bei dir!« Er hatte eine seltsame Art zu
sprechen und einen Akzent, den sie noch nie gehört hatte. Seine Stimme klang lässig wie bei einem, der an seinem freien Tag durch die Stadt schlendert.
    »Und ist es auch so offensichtlich, dass ich kein Junge bin?«
    »Also …«, sagte er schleppend. »Du bist ja nicht die Erste, die auf die Idee gekommen ist. Als wir in Prag angekommen sind, hat meine Schwester gedacht, es wäre für einen Jungen einfacher, in der Stadt rumzulaufen, als für ein Mädchen. Ihre Täuschung hat ungefähr fünf Sekunden lang funktioniert. Aber sie ist’ne wirkliche Wucht, sieht gnadenlos gut aus. Sie kommt nach mir. Also mach dir keine Gedanken. Du bist schon ganz gut in Hosen, aber ich hab halt ein scharfes Auge.«
    Sie erreichten die Tür zu einem Wirtshaus mit dem Namen »Zum Geschorenen Lamm«, und der Junge führte sie durch ein Labyrinth von Räumen, die voller Gäste waren, bis zu einem leeren Tisch in einer Ecke und bestellte zwei große Schalen Eintopf bei einer Frau, die auf ihren Armen mehr blaue Tätowierungen hatte als Zähne im Mund.
    Nachdem sie gegangen war, streckte der Junge seine Hand aus und schüttelte Petras, nachdem sie eingeschlagen hatte. »Heiße Neel.«
    »Ich bin Petra.«
    Sie hatte allerdings immer noch Bedenken wegen Neel und beschloss deshalb, Astrophil zu warnen. Sie würde versuchen, sich mit ihm

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