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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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derselben Klasse sind?«, sagte sie. »Mutter und Vater freuen sich so darüber. Der Gedanke, dass wir bald mit einem Fingerschnippen Feuer machen können! Ich kann’s gar nicht erwarten, mit den ernsthaften Übungen anzufangen.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Du sprichst wie ein Bürgerlicher, Gregor.«
    »Schau mal, wenn du dir jetzt kein Gebäck aussuchst, gehe ich allein zum Unterricht.Wenn du schon so erfreut darüber bist, an der Akademie zu sein, könntest du vielleicht versuchen, dafür zu sorgen, dass wir nicht nach einer Woche wieder rausgeschmissen werden.«
    Sie seufzte. »Ich will zwei Kolatschen.« Sie stupste ihren Bruder an und er zog einen großen Geldbeutel aus seinem Gewand. »Ich frage mich, welches Talent der Prinz hat. Man sagt, er hatte während der ganzen vier Jahre an der Akademie Privatunterricht. Sein Talent ist natürlich ein Staatsgeheimnis, denn unsere Feinde würden seine Schwächen kennen, wenn sie von seiner Magie wüssten.«
    »Du redest so einen Blödsinn.« Er bezahlte die Frau. »Böhmen hat keine Feinde.Wir sind Teil des Reichs.«
    »Warum wird sein Talent dann geheim gehalten?«
    Gregor zuckte mit den Schultern und marschierte los. »Vielleicht hat er keins und will nicht, dass jemand das rausfindet.Vielleicht hat er deshalb keinen Unterricht mit anderen zusammen gehabt.«
    Hinter sich hörte Petra jemanden nach Luft schnappen. Die Gebäckverkäuferin sah verängstigt aus.
    »Oder vielleicht« - das Mädchen packte den Arm ihres
Bruders und blickte ihn wütend an - »hat er mehr als eine magische Fähigkeit und hat deshalb mehr Förderung gebraucht.«
    Er schüttelte ihre Hand ab. »Jetzt sei mal nicht so dumm, Annie. Niemand hat mehr als eine magische Fähigkeit.« Er stolzierte davon, seine Schwester folgte ihm protestierend.
    Der Student vor Petra schüttelte den Kopf. »Leichtsinnig. Wie leichtsinnig von ihm, das zu sagen.«
    Petra kaufte ein Stück Hefezopf mit Mandeln und Rosinen. Sie schob den Geldbeutel wieder unter ihr Hemd, doch das Wechselgeld steckte sie in die Hosentasche, damit sie einfacher an die Münzen kam. Dann ging sie langsam weiter und grübelte über das nach, was die Geschwister gesagt hatten. In einem Punkt hatte das Mädchen recht gehabt. Wenn sie wusste, welches Talent der Prinz hatte, würde ihr das helfen zu bekommen, was sie wollte. Und sie ging davon aus, dass sie die Feindin des Prinzen war.
    Beim Mithören des Gesprächs hatte sich ihre schlechte Meinung von Schülern der Akademie nur bestätigt. Die Akademie war in erster Linie vornehm. Petras Vater hatte ihr die Bedeutung der Spirale erklärt, die auf die Talare der Schüler genäht war.Wenn man sie von oben oder unten betrachtete, konnte man sehen, wie sie sich von ihrem Mittelpunkt aus immer weiter nach außen drehte. Stand man jedoch innerhalb der Spirale und blickte sich um, sah man eine Linie wie den Horizont. Magie auszuüben, hatte ihr Vater erklärt, war wie eine Spirale aus jedem Blickwinkel zu betrachten. Die meisten Menschen sahen nur das Ergebnis der Magie, sahen also die Spirale nur von oben
oder von unten. Doch die Fähigkeit, Magie einzusetzen, hieß, in der Lage zu sein, nicht nur ihre Wirkung zu sehen, sondern mittendrin zu stecken und eine unendliche Linie von Möglichkeiten zu sehen.
    Die Münzen klirrten in Petras Hosentasche, während sie weiterging, und erinnerten sie an die alltäglichen Dinge. »Hier ist es aber teurer«, sagte sie.
    »Vielleicht«, antwortete Astrophil. »Aber ich glaube, die Gebäckverkäuferin hat dich betrogen.«
    Verärgert blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Astro, warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Ich wollte sehen, ob du es selbst merkst.«
    Petra grummelte immer noch ärgerlich vor sich hin, als sie jemand unterbrach.
    »Der Onkel stiehlt dein Tuch, gnä’ Frau«, hörte Petra eine helle Stimme. »Ich seh ihn. Er hat die Hand an der Seide.«
    Zuerst wusste Petra nicht, woher die Stimme kam, aber da von einem Dieb die Rede war, legte sie sofort die Hand auf die Stelle, wo sie ihren Geldbeutel trug. Dann fiel ihr Tomiks Rat wegen der Taschendiebe ein, und sie verfluchte sich selbst, wie sie so gedankenlos sein konnte. Doch als sie sich umblickte, sah sie niemanden, der auf sie achtete. Alle an der Straßenecke gafften das Mädchen mit der hellen Stimme an. »Der Onkel stiehlt dein Tuch«, wiederholte sie.
    »Armes Ding«, murmelte jemand neben Petra und schob dem Mädchen eine kleine Münze zu.
    Sie war ungefähr in

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