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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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andere warf Petra einen flüchtigen Blick zu, schaute dann zum Himmel und streckte sich im Sonnenlicht. Dann wandten sich beide von ihr ab, gingen zum hinteren Ende des Karrens und hievten etwas Großes von der Ladefläche.
    Zunächst konnte Petra nicht glauben, dass die lange knochige Gestalt, die die beiden Männer trugen, ihr Vater war. Doch dann sackte sein Kopf in den Armen des fetten Manns zurück und sie sah sein langes grauschwarzes Haar,
seinen breiten Mund und die rostfarbene Bandage über seinem Gesicht.
    Sie blickte über die Schulter zu David, der im Laden wartete und mit schreckgeweiteten Augen durch die Türöffnung starrte.
    »Dita«, flüsterte Petra. Sie hatte die Stimme verloren.
    Doch David fand seine mühelos wieder: »Mutter!« Er drehte sich schnell um und rannte ins dunkle Innere des Hauses. » Mutter! «

Das Erschaffen der Uhr
    DIE BEIDEN Männer trugen Mikal Kronos in seinen Laden.
    Petra schloss die Tür hinter ihnen. Sie kam sich genauso mechanisch vor wie eine der Erfindungen ihres Vaters. Sie konnte den Blick nicht von dem Tuch wenden, das das Gesicht ihres Vaters verdeckte. Es war steif von getrocknetem Blut. Petra war klar, dass der Verband gewechselt werden musste, doch sie wusste nicht, ob sie das überhaupt könnte.
    Tausend Fragen versuchten, sich gleichzeitig aus ihrem Mund zu drängen, aber nur einer gelang der Weg nach draußen: »Was ist passiert?« Sie war über ihre eigene Stimme erstaunt. Sie klang klein und ängstlich.
    »Dein Papa hatte einen Unfall«, antwortete der fette Kerl.
    Dita kam vom Flur aus herbeigestürzt. Sie hielt sich kerzengerade, ihre Haare waren in ein dunkelblaues Tuch gewickelt und sie wischte sich die Hände an ihrer gestärkten Schürze ab. David folgte ihr, Stella noch immer auf seiner Schulter. Dita ertappte den großen Mann dabei, wie
er den Vogel neugierig anglotzte.Verlegen wandte er den Blick ab.
    »Tach Frau«, sagte sein Kumpan. »Martin ist mein Name. Tut mir leid, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein. Euer Mann hat eine schwere Reise gehabt. Könnt Ihr mir zeigen, wo wir ihn absetzen sollen, damit er sich ein bisschen erholen kann?«
    »Er ist mein Onkel.« Dita runzelte die Stirn. »Kommt hier entlang. Sein Schlafzimmer ist hier«, sagte sie und führte sie im Erdgeschoss zu einem kleinen Zimmer mit rechteckigem Fenster und einem schmalen Bett.
    Nachdem die beiden Männer ihre Last auf das Bett gelegt hatten, nahm Dita die Hand ihres Onkels und musterte mit zusammengepressten Lippen seinen Verband. »David, hol etwas Wasser.«
    David rannte aus dem Zimmer. Doch Stella sprang von der Schulter des davoneilenden Jungen, flog zurück und ließ sich auf einem Bettpfosten nieder. Dort verdrehte der Rabe den Hals, um Dita zu beobachten, die ganz sanft den Verband löste, der das Gesicht ihres Onkels bedeckte.
    »Wie ist das passiert?«, fragte sie.
    Die beiden Fremden blickten sich an.
    Petra klammerte sich mit beiden Händen an den Türrahmen. Ditas Rücken versperrte ihr die Sicht auf den Vater. Sie wartete darauf, dass jemand etwas sagte. Als das niemand tat, beantwortete sie die Frage ihrer Cousine: »Sie sagen, es war ein Unfall.«
    »Ach, wirklich.« Ditas Stimme klang völlig ausdruckslos. Sie starrte die Männer mit wildem Blick an. »Ein Unfall?
Ihr habt gleich auch einen Unfall, wenn ihr nicht auf der Stelle aus diesem Haus verschwindet.«
    Martin lächelte und breitete die Arme aus. »Na, Ihr könnt uns doch nicht die Schuld geben für …«
    Der Vogel kreischte schrill, sprang vom Bettpfosten und stürzte sich mit scharfen Krallen und noch schärferem Schnabel auf die beiden Männer. Entsetzt stürmten sie aus dem Haus, stolpernd und fluchend schützten sie mit den Händen das Gesicht, während Stella auf sie zuschoss wie ein fliegender Dolch.
    Als Dita zu Petra sprach, klang ihre Stimme zugleich hart und freundlich. »Ich möchte, dass du auch rausgehst.«
    Petra zögerte kurz. Dann schlüpfte sie in den Flur und rannte nach oben in ihr Zimmer. Durch das Fenster konnte sie noch immer das wütende Kreischen des Vogels hören.
    Danach war es keine Frage mehr, dass Stella zur Familie gehörte.
     
     
    Dita war vor Jahren mit ihrem Mann und ihrem Sohn in das Haus eingezogen, nachdem eine lange Trockenheit ihre Rapsfelder hatte verdörren lassen und die Pflanzen spröde und unbrauchbar wurden. In dem Jahr hatte es überhaupt keine Ernte gegeben und das Jahr davor war auch schon schlecht gewesen. In ganz Böhmen wuchs die

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