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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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stürzten sie den Flur entlang.
    Petra hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund. Doch die üblen Kopfschmerzen waren verschwunden und die Befreiung von dieser Qual machte sie ein bisschen ausgelassen. Sie vergaß fast, dass sie in Gefahr war. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, und sie rannte zu schnell, um richtig Angst zu haben.
    Doch dann, kurz bevor sie sich anschickten, an den Wachen der Treppe zum zweiten Stock vorbeizuschießen, sah sie einen kleinen Trupp Soldaten aus einem anderen Flur herbeieilen. Direkt hinter ihnen kam mit vor Wut kreideweißem Gesicht Prinz Rodolfo. Eine lähmende Angst überfiel sie. Schliddernd kam sie zum Stehen und erstarrte.

    »Pet!« Neel wirbelte herum und blickte sie an. »Petra!«
    Seine Stimme riss sie aus der panischen Trance. Sie riss sich die Seidenfäustlinge ab und warf sie auf den Boden. Dann griff sie nach dem Rocksaum und zerrte an den ungleichmäßigen Stichen, bis sie Tomiks Kugeln in der linken Hand hielt. »Schließt die Augen!«, schrie sie Neel und der Spinne zu und ergriff die Kugel, die sie »Glühwürmchen« genannt hatte. Der Blitz in der Kugel flackerte. Sie zielte auf eine Stelle am Boden direkt vor den Füßen der näher kommenden Soldaten, dann warf sie die Kugel und schloss die Augen.
    PENG! Rotes Licht flammte hinter den geschlossenen Augenlidern auf. Als sie die Augen wieder öffnete, bot sich ihr ein Bild der Verwüstung. Der Steinboden war geschwärzt, voller Risse und zu schrägen Blöcken aufgebrochen. Ein paar der Männer krochen am Boden, und die, die noch auf den Beinen waren, taumelten herum, hatten die Hände vors Gesicht geschlagen und jammerten. Ein versengtes Stück der Decke fiel mit einem lauten Schlag einem Mann auf den Fuß. Er schrie. Donner rumpelte den Gang entlang.
    »Komm schon!«, schrie Neel, und sie rannten an den umgefallenen Wachen vorbei zum zweiten Stock hinunter. Doch neben dem Stampfen ihrer eigenen Füße konnten sie das regelmäßig rhythmische Trampeln vieler Soldaten hören, die aus allen Ecken der Burg anmarschiert kamen, um sie zu ergreifen.
    Petra sah auf die beiden Kugeln in ihrer Hand. Die Wespe summte, das Wasser schwappte.

    »Nicht die Wespe, Petra!«, schrie ihr Astrophil ins Ohr. Der Schwarm könnte auch dich angreifen!«
    Sie steckte den Wespenschwarm in die Tasche und hoffte inbrünstig, dass das »Blubbern« ihnen helfen würde. Petra warf die mit Wasser gefüllte Kugel, die an der Wand hinter ihnen zerschellte.
    Eine Flutwelle verschlang mit einem Schlag den zweiten Stock. Petra wurde sofort unter Wasser getaucht und von einer wilden Strömung mitgerissen. Irgendetwas schlug gegen ihr Bein. Sie spürte Astrophils Kneifen am rechten Ohr, und ihre Lunge brannte vor Sauerstoffmangel, während sie durch das Wasser schlingerte.
    Als sie schließlich an die Oberfläche kam, sah sie Neel schnell neben sich treiben. Er hatte sich an einen Holztisch geklammert. »Was machst du denn?«, schrie er gellend. »Hör auf, mit solchen Dingern zu schmeißen!«
    Sie wollte sich zu ihm durchkämpfen, aber sie kam nicht voran, doch als die Strömung sie eine Treppe hinunter und durch einige Gänge gerissen hatte, verlor die Wasserflut allmählich ihre Stärke, und bald konnten sie im Wasser waten, das ihnen nur noch bis zu den Oberschenkeln reichte und dann bis zu den Waden. Sie waren im ersten Stock, im Denkerflügel.
    Langsam kam Hoffnung bei ihnen auf, dass sie es vielleicht doch schaffen würden zu entkommen, als sie erneut das Stampfen von Soldatenstiefeln hörten. Petra und Neel sahen sich voller Angst an.
    Da öffnete sich eine Tür mit zwei Griffen, einem eisernen und einem roten.

    Iris trat auf den Gang. Mit einem kleinen Aufschrei blickte sie nach unten und fand sich in fußhohem Wasser stehen, dann blickte sie hoch zu Neel und Petra, erstaunt über ihre von Wasser triefende Kleidung, das durchnässte angeklatschte Haar und die tropfnassen Gesichter. »Was im Namen der sieben Planeten geht hier vor?«
    »Iris?« Petra watete auf sie zu. »Kennst du Mikal Kronos?«
    Petra . Astrophil spuckte Wasser aus. Ich glaub nicht, dass das klug ist .
    »Warum? Ja, er hat auf diesem Gang gearbeitet. Ich...« Iris brach ab. Sie spitzte die Lippen und blickte in Petras Gesicht, wobei sie den Ausdruck von jemandem zeigte, dessen Verdacht sich als wahr erweist. »Und ich vermute, du kennst ihn auch, ziemlich gut sogar, nehme ich an.«
    »Ich bin seine Tochter Petra. Mein Vater hat hier sechs Monate lang gearbeitet. Aber eines

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