Das Kabinett der Wunder
dass ich Glück hätte, weil er heute zu beschäftigt
wäre, um die Untersuchungen in die Wege zu leiten, denen ich unterzogen werden sollte. Er hat das gesagt, als wüsste er, dass ich das verstand.
»Geschafft«, sagte Neel. Er stieß die Tür auf.
Petra kniete sich auf den Boden und hielt Astrophil den Löffel hin. Der saugte gierig an dem grünen Öl.
»Besser?«, fragte Petra.
»Viel!«
»Du bist sehr mutig gewesen, Astro!«
»Oh« - er versuchte ganz beiläufig zu sprechen -, »ich hab nur getan, was jede anständige Spinne getan hätte.«
Petra lächelte. »Und nun, wo sind sie?«
Sie folgte Astrophil tiefer in das Kabinett der Wunder hinein. Seltsame und schöne Gegenstände säumten ihren Weg wie zum Beispiel ein kleiner eingetopfter Baum, dessen Blätter aufgewickelte Papierrollen waren. Petra blickte auf eines, das sich entfaltet hatte und sah ein mit Tinte geschriebenes dreizeiliges Gedicht. Einige der Dinge im Kabinett waren großartig, ohne ungewöhnlich zu sein, wie die lebensgroße blaugrüne Statue eines Pfaus. Andere waren grotesk und beunruhigend wie das sechs Fuß große Skelett einer Meerjungfrau, das von einem Kleiderbügel an einem Pfosten hing.
Neel zog eine Schachtel runter, blickte hinein und schnitt eine Grimasse. Petra sah auf das Etikett der Schachtel. »›Drachenzähne‹ steht da.«
»Was soll ich denn mit Drachenzähnen?«
»Wenn du sie in die Erde pflanzt, lassen sie Soldaten sprießen«, sagte Astrophil. »Das habe ich gelesen.«
»Na ja, vielleicht können die mal brauchbar sein«, meine Neel zweifelnd, zog seinen Beutel von der Hüfte und schüttete die Zähne hinein.
»Schau mal hier.« Petra öffnete eine Schachtel mit der Beschriftung »Phönizische Münzen«.
Neels Augen leuchteten auf, als er das Gold sah, doch dann bemerkte er die Prägung der Münzen und machte ein langes Gesicht. »Das sind keine böhmischen, keine spanischen oder sonst was. Die kann ich nicht brauchen.«
»Kannst du, wenn du sie einschmilzt.«
»Oh, ja-a, richtig!« Er stopfte sie in seinen Beutel.
Inzwischen war Astrophil auf einen kleinen Kasten geklettert, in dessen Holz ein Wort eingebrannt war: »Kronos.«
Mit zitternden Fingern machte Petra den Deckel auf. Da waren sie, die Augen ihres Vaters, silbrig und vertraut.
Erst zögerte sie, sie anzufassen, doch als sie die Augen schließlich herausnahm, war sie erstaunt, dass sie so glatt und schwer wie runde Kieselsteine waren.Vorsichtig steckte sie sie in ihre Tasche.
Sie hörte, wie Neel ein erfreutes Geräusch von sich gab, und drehte sich um. Er hatte einen Schatz von Juwelen entdeckt, die zu verschiedenen Tiergestalten geschliffen waren. Es gab einen Rubinpelikan, eine Smaragdschildkröte, einen Saphirwolf und eine Diamanttaube. »Ein Jammer, dass ich die in Stücke schlagen muss.« Er steckte sie in seinen Beutel. »Aber damit kann ich leben.«
Petra machte einen schnellen Rundgang durch dass Kabinett und suchte nach etwas, das ihr helfen könnte, ihr
Versprechen gegenüber John Dee zu erfüllen. Sie fand pulverisierte Einhornhörner. Sie entdeckte einen Seidenraupenkokon, der so groß war wie ihr Arm. Doch sie stieß auf nichts, was so aussah wie der Bestandteil einer riesigen Uhr. Oder wie ein Herz.
Sie beschloss, Dee seine Probleme selbst lösen zu lassen. Er konnte drohen, womit er wollte. Ihre Familie würde sich mit ihm befassen, wenn es nötig war. Ihr Vater kannte vielleicht jemanden, der die Verbindung trennen konnte, die Dee zu ihrem Geist hergestellt hatte, oder vielleicht konnte das auch Drabardi machen. Auf jeden Fall aber wusste sie, dass sie, Neel und Astrophil nicht viel länger in dem Kabinett bleiben durften. Sie hatte, wofür sie hergekommen war, die einzige Sache, die wirklich zählte. »Ich bin so weit«, sagte sie zu Neel. »Du auch?«
Er klopfte auf seinen Beutel. »Ja-a.«
Petra schritt auf die Tür zu, doch dann hielt sie an. Sie dachte an Susana. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Vater gesagt hatte: »Die Uhr geht uns nicht länger etwas an.« Aber sie ging andere Leute etwas an. Sie ließ die Schultern hängen, als wäre sie besiegt, und sagte widerstrebend: »Neel, lass uns noch einmal nach dem Herz der Uhr suchen.«
Sie gingen hin und her und untersuchten Unmengen von Gegenständen. Wertvolle Zeit verstrich und Petra wurde in der Stille nervös. Sie wollte schon wieder aufgeben, als Neel stehen blieb und die Hand hob. »Warte mal.« Er starrte Petra über sie Schulter. »Das Ding da...«
Petra
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