Das Kabinett der Wunder
Tages, als die Uhr fast fertig war, hat der Prinz ihn geblendet. Er hat ihm die Augen gestohlen. Ich bin in diese Burg gekommen, um sie zurückzuholen.«
Iris starrte Petra unsicher an. Das Stampfen der Soldaten kam näher.
»Wo glaubst du, hat der Prinz die Silberaugen her, die er nur so zum Spaß trägt!«
Iris schwieg.
»Wir müssen hier raus! Welchen Weg sollen wir nehmen? Bitte hilf uns.Wenn uns die Burgwache erwischt, ist unser Leben nichts mehr wert!« Verzweifelt suchte Petra nach einer Möglichkeit, Iris davon zu überzeugen, dass sie
die Wahrheit sprach. »Fiala Broschek hat ihm die Augen entfernt, auf Befehl des Prinzen!«
»Fiala!« Das hörte sich an wie eine Explosion. Dann stieß Iris ihre Tür auf. »Rein mit euch beiden.«
Sie knallte die Tür hinter ihnen zu. »Fiala Broschek! Diese gewissenlose Person! Kristofs Arbeit ist harmlos, verglichen mit den Scheußlichkeiten, die sie erschafft! Warum versucht sie zur Abwechslung nicht mal nachzusehen, wie ihr Inneres aussieht?« Sie führte die beiden in ihr Schlafzimmer. Neel warf Petra einen zweifelnden Blick zu. Iris machte die Wandschranktür auf. »Da rein«, sagte sie.
»Äh«, wandte Neel ein. »Ich glaub nicht, dass das hilft. Die durchsuchen die ganze Burg, wenn sie uns nicht finden.«
»Da drin ist eine Treppe, du Dummkopf! Die führt direkt in den Vorhof der Burg.«
Petra blickte Iris überrascht an.
»Bin ich nun eine Gräfin oder nicht? Da steht es mir ja wohl zu, dass ich ohne Scherereien mit den Wachen kommen und gehen kann, wie es mir gefällt. Also« - sie schob ihre Brille auf der Nase hoch -, »ich glaube nicht, dass wir uns noch einmal sehen werden, Petra Kronos.«
Es gab nur eines, was Petra tun konnte, nachdem Iris das gesagt hatte. Sie nahm die alte Frau in die Arme und drückte sie an ihre triefend nasse Brust.
Für jemanden, der es überhaupt nicht gewohnt war, berührt, geschweige denn umarmt zu werden, kam das wie ein Schock. Iris stand einen Augenblick still da, dann klopfte sie Petra unbeholfen auf den Rücken. »Nun, nun. Genug davon. Du wirst mich noch hineinverwickeln, Mädchen.
« Sie lösten sich voneinander und Iris blickte nieder auf ihre nun ebenfalls nassen Kleider. »Die Soldaten werden reinkommen und fragen, ob ich eine triefend nasse Verbrecherin gesehen habe, und dann stehe ich da, vom Wasser gezeichnet, weil ich eine Feindin umarmt habe!« Doch ihr Lächeln war warm, liebevoll und erfreut. »Jetzt aber los mit euch. Raus aus meinem Labor!«
Neel stürzte die Treppe runter. Petra folgte ihm. Sie hörten, wie die Tür hinter ihnen geschlossen wurde.
Bald standen sie in dem leeren Vorhof. Alle Soldaten, die sich da vielleicht aufgehalten hatten, waren offensichtlich in der Burg, um sie zu suchen.
Neel und Petra flitzten in den Stall.Versteckt hinter einem Heuhaufen beobachteten sie zwei Stalljungen, die Pferdeboxen ausmisteten und offenbar noch gar nichts von dem Aufruhr in der Burg mitbekommen hatten. Dann kam ein dritter Stalljunge in das Gebäude gerannt und schrie, dass sie rauskommen und sich den Kampf anschauen sollten. Er berichtete lautstark, dass eine ganze Armee von Räubern in die privaten Gemächer des Prinzen eingedrungen wäre und dass eine wüste Schlacht mit Explosionen und allem in der Burg stattfände. Die beiden anderen Jungen ließen ihre Mistgabeln fallen und rannten mit ihm hinaus.
Neel und Petra konnten ihr Glück kaum fassen.
»Der hier.« Neel führte einen riesigen Fuchshengst aus seiner Box. »Ist er nicht eine Schönheit? Der kann uns beide tragen. Nehmen wir den.«
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun«, sagte eine tiefe Stimme.
Da stand Jarek, gegen eine Box gelehnt, mit schmalen Augen und hängenden Wangen.
Neel schwang sich auf das Pferd und winkte Petra. »Komm schon, ich kenne diesen Mann. Er kann vielleicht gut für die Pferde des Prinzen sorgen, aber er kann nicht besser oder schneller reiten als ich.«
Doch Petra war klar, dass Jarek nicht mehr tun musste, als vor den Stall zu laufen, die Soldaten zu rufen und auf das galoppierende Pferd zu deuten. Die gesamte Burgbesatzung würde hinter ihnen herstürzen. Und Petra war auch klar, als sie den träge auf einem Strohhalm kauenden Mann sah, dass Jarek das ebenfalls wusste.
»Also ihr seid für den Aufruhr und Krach in der Burg verantwortlich«, sagte er. »Ich schätze mal, das habt ihr in der Menagerie des Prinzen ausgeheckt. Und vermutlich habt ihr auch den Burschen verschnürt, den ich zwischen dem
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