Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Tote konnten nicht mehr reden. Eine Mischung aus Glück und Kaltblütigkeit hatte Kandar und seinem Assistenten das Leben gerettet. Abgesehen von dem unerwarteten Eintreffen der mysteriösen Helfer, über die Gulbudin am Telefon nicht viele Worte verloren hatte. Trotz des Hasses, den er ihm in beruflicher Hinsicht einflößte, nötigte dieser Kommissar ihm zunehmend größten Respekt ab.
Er bereitete sich einen Kaffee zu und versuchte das Geschehene einzuordnen. Dann rief er die tadschikischen Übersetzer an, um sie anzutreiben. Er hatte die neuesten Berichte des NDS, die von den großen Ohren des Echelon aufgefangen wurden, von der Datenbank der Firma angefordert.
Die Aktion zur Rettung der Polizisten bereitete Joseph Kopfzerbrechen. Dem NDS zufolge waren zehn Männer wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatten seinen siebenköpfigen, sehr erfahrenen Trupp binnen weniger Sekunden ausgeschaltet. Die Zeugen sprachen von Afghanen. Zehn bewaffnete Männer – das konnte kein Zufall sein. Es musste sich um eine im Vorfeld zusammengestellte Schutztruppe handeln. Belutschen aus Kandars Clan? Hazara aus dem Clan seines Assistenten?
Ein Piepton unterrichtete ihn über den Eingang der Übersetzungeines neuen Berichts. Er überflog ihn, bis er nachdenklich an einem der Zeugenberichte hängenblieb. Ein Lebensmittelhändler erklärte, die Retter Kandars hätten einen Turban und mindestens zwei von ihnen lange Bärte getragen. Joseph lächelte. Ein Gedanke keimte in ihm auf, ein neuer Plan, um diesen Bullen endgültig loszuwerden.
Der Einbeinige ließ Osama in Mullah Bakirs Arbeitszimmer eintreten. Mehr als zwei Stunden waren seit dem Mordversuch vergangen. Im Zimmer herrschte beinahe völlige Dunkelheit, nur eine kleine Petroleumlampe auf dem Tisch gab ein wenig Licht ab. Mullah Bakir lag im Bett.
»Verzeiht, dass ich mich nicht erhebe, Bruder Osama«, sagte er mit kaum hörbarer Stimme, »aber es geht mir heute nicht gut.«
»Soll ich lieber morgen früh wiederkommen, Mullah?«
»Nein, im Gegenteil, ich freue mich sehr, dass Sie hier sind. Ich bitte Sie zu entschuldigen, dass ich Ihnen den Tee nicht selbst servieren kann, es wäre mir eine Ehre gewesen!«
»Ich bin es, der sich geehrt fühlt.«
Er hielt dem Mullah sein Glas hin. Als er sich vorbeugte, sah er, dass der Mullah eine feuchte Stirn hatte, er zitterte am ganzen Körper.
»Gestern habe ich bei einem sehr armen Bruder ein Glas Wasser getrunken, das verseucht war«, sagte der Mullah. »Morgen wird es mir schon wieder besser gehen.«
Die Anstrengung verlieh seiner Stimme einen beinahe feierlichen Tonfall, als betete er einen Text herunter. Sie tranken schweigsam ihr Wasser, die Stille wurde nur durch ihre Schlürfgeräusche unterbrochen.
»Ich bin froh, dass Sie diesem Attentat entkommen sind.«
»Ich nehme an, die Retter haben Sie mir geschickt.«
»Bei ihrem Einsatz, mitten in Kabul, haben sie enorme Risiken auf sich genommen. Sie werden nun von der InternationalenSchutztruppe wegen ihrer Beziehungen zu den Taliban gesucht.«
»Sie haben mir das Leben gerettet.«
»
Allahu Akbar,
Sie sind unverletzt. Wer waren Ihre Angreifer?«
»Ehemalige Mudschaheddin, Mitglieder von Elitetruppen, die in Kabul gekämpft haben. Ein Wunder, dass wir ihnen entkommen sind.«
»Woher stammten sie?«
»Die meisten aus Kabul, nur einer war aus Kandahar.«
»Und der Fahrer, was weiß man über ihn?«
»Er war der Bruder eines der Bandenmitglieder. Ein Polizist.«
»Um eine derartige Aktion auf die Beine zu stellen, braucht man Geld«, bemerkte Mullah Bakir mit schwacher Stimme. »Viel Geld.«
»Wir haben bei dem Anführer des Kommandos mehr als zwölftausend Dollar gefunden.«
»Ein Afghane hätte Afghanis gegeben. Es handelt sich demnach um Ausländer.«
»Sehr gut beobachtet, Mullah Bakir. Ein Nachbar bestätigt, dass die Fremden gestern den Anführer des Kommandos aufgesucht haben. Sie kamen mit zwei Fahrzeugen zu ihm, zwei gepanzerten Geländewagen.«
»Das deckt sich mit meinen eigenen Erkundigungen. Einem meiner Informanten zufolge hat sich Minister Khan Durrani in den letzten Tagen mehrmals mit einem Ausländer getroffen, mal bei diesem selbst, mal im Ministerium. Er hat außerdem zahlreiche Telefonate auf Englisch ins Ausland geführt.«
»War dieser Fremde Russe oder Amerikaner? Können Sie da Genaueres herausfinden?«
»Unmöglich. Mein Spitzel hat keinen Zugang zu dieser Art von Informationen. Die Anrufe werden in keiner Liste gespeichert, und der
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