Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
nimm ihn dir, er ist für dich.«
Osama nahm die Hand seines Freundes.
»
Tashakor
.«
Er fand den Bericht inmitten eines unbeschreiblichen Durcheinanders von Papieren. Es war genauso, wie er es erwartet hatte. Beim Hinausgehen sah er, dass die verletzte Frauauf der Trage mit einem Tuch abgedeckt war. Ihr Mann weinte. Zwei Sanitäter erschienen, packten die Trage mit der Leiche und entfernten sich.
»Jetzt dürfen sie sich ihr nähern?« Osama konnte nicht umhin, dem Mann diese Frage zu stellen.
»Jetzt ist sie tot, da ist es nicht schlimm, wenn sich ein Mann um sie kümmert«, erwiderte der Mann tonlos.
Auf diesen Wahnsinn gab es keine Antwort. Osama verließ den Ort, er fragte sich, was Malalai wohl in einer solchen Situation getan hätte.
***
Allein und in Gedanken verloren joggte Nick um den See. Die Entdeckung des Mailwechsels zwischen Joseph und dem General hatte ihm zugesetzt. Den Rest des Tages hatte er damit verbracht, Informationen über den berüchtigten Wali Wadi zu sammeln, von dem in den Mails die Rede war, hatte vom Computer der ahnungslosen Margaret aus einige diskrete Recherchen in diversen Datenbanken gestartet. Er hatte nicht viel gefunden, abgesehen von dem Beweis, dass Léonard und ein Mittelsmann sich regelmäßig trafen, fast einmal im Monat, in Europa oder in Pakistan. Sie arbeiteten gemeinsam an irgendeinem Projekt, und zwar seit mindestens fünf Jahren. Doch woran? Er hatte nicht die leiseste Ahnung.
Er ließ sich auf eine Bank sinken. Die Luft war eisig, er dampfte förmlich nach dem raschen Zwanzig-Kilometer-Lauf. Normalerweise beruhigte ihn die wunderbare Landschaft, diesmal jedoch nicht. Wieder zu Hause, hatte er das Internet nach Informationen zu dem von Joseph in die Wege geleiteten Selbstmordattentat durchforstet. Dreißig Tote, achtzig Verletzte, darunter etliche Schwerverletzte. Unschuldige, die sinnlos erblindet, verkrüppelt waren. Wegen der Firma. Wegen seiner Kollegen.
Wütend ließ er den Blick über die Landschaft schweifen.Er konnte ja verstehen und sogar akzeptieren, dass gewisse Aktionen nicht ohne Gewalt durchzuführen waren. Aber eine Bombe in einem Café voller Zivilisten zu zünden – das ging zu weit. Jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Entweder musste er die Firma verlassen, oder er musste kämpfen. Kämpfen, das bedeutete, die Wahrheit herauszufinden. Die Beziehungen zwischen Wali Wadi und dem Flüchtigen aufzudecken. Aufzuklären, was es mit der Mandrake-Akte auf sich hatte. Den Flüchtigen wiederzufinden.
Er schwor sich, die Sache durchzuziehen, egal, um welchen Preis.
***
Osama kehrte ins Kommissariat zurück, Katuns Analysebericht hatte er in der Tasche. Der technische Teil seiner Untersuchung war beendet, er hatte alle Beweise, die er brauchte, nun gab es nur noch eine – allerdings beträchtliche – Unbekannte: das Motiv. Warum hatten die Westler Wali Wadi umgebracht? Er verfasste einen kurzen Bericht, in dem er die Ergebnisse der neuerlichen Spurensicherung darstellte sowie die zusätzlichen Indizien auflistete, die zu der Schlussfolgerung führten, dass es sich um einen als Selbstmord getarnten Mord an Wali Wadi handelte. Sein Hauptverdächtiger war ein deutscher Staatsangehöriger, Michael Dortmund, dessen Fingerabdrücke am Tatort gefunden worden waren. Nach kurzem Zögern fügte er noch einen Absatz hinzu, in dem er erklärte, dass Michael Dortmund aller Wahrscheinlichkeit nach der Urheber des Attentats auf das Hamad Café war, dem sein Assistent, ein Inspektor der Kriminalbehörde von Kabul, zum Opfer gefallen war und das vermutlich den Zweck hatte, die Aufdeckung des Mordes an Wali Wadi zu bremsen. Er verlangte daher einen Haftbefehl gegen Michael Dortmund wegen mehrfachen Mordes und der Verschwörung im Rahmen eines terroristischen Attentats sowie die Gewährleistung aller staatlichen Mittel, diezur Ergreifung des Verdächtigen führten. Bevor er seinen Bericht unterzeichnete, zeigte er ihn Reza von der Geheimdienststelle.
»Du gehst aufs Ganze, Osama!«
»Was hältst du von diesem Bericht?«
»Die Fakten sprechen eine klare Sprache.« Er klopfte ihm bewundernd auf die Schulter. »Du hast großartige Arbeit geleistet, Kumpel. Ich bin übrigens ganz deiner Meinung, was das Hamad Café betrifft.«
»Und würdest du das auch schriftlich bezeugen?«
»Du möchtest also wirklich, dass ich meine Stelle verliere?«
»Ich mache keine Witze. Antworte!«
Reza lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl nach hinten.
»Der Innenminister ist
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