Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Landkarten.
»Hier,
Qoumaandaan
. Ich habe die Karten.« Er legte sie auf den Schreibtisch. »Mann, ganz schön schwer.«
»Ruf Gulbudin dazu. Er soll sich gleich an die Arbeit machen.«
Die Karten waren nicht geordnet, und da die Beschriftung in kyrillischen Lettern schon teilweise abgeblättert war, mussten sie die Karten eine nach der anderen entrollen, um diejenige zu finden, die mit dem Gebiet übereinstimmte, nach dem sie suchten. Endlich verkündete Gulbudin:
»Ich glaub, ich hab’s!«
Die Koordinaten stimmten mit einem namenlosen Dorf überein, Osama wusste nicht, ob es paschtunisch oder Brahui war; in beiden Fällen würde man ihn dort nicht willkommen heißen. Zum Glück schienen die Ortsnamen darauf hinzuweisen, dass ein Stück weiter westlich eine mehrheitlich belutschische Zone lag. Dort würde er möglicherweise Unterstützung finden, aber in einer derart abgelegenen Region stellte jedes Tal ein Gebiet für sich dar. Er schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Er musste unerkannt durch Kandahar fahren, ein Gebiet, das von regimefeindlichen Taliban besetzt war. Die Amerikaner hatten im Westen Kandahars mehrere umfangreiche Militäraktionen durchgeführt, hoffentlich war die letzte noch nicht beendet. In dem Fall befandensich die amerikanischen Streitkräfte nämlich weit von ihrem eigentlichen Bestimmungsort entfernt. Anschließend ging es auf der Straße nach Quetta weiter, einer Region, in der es von Märtyrer-Kandidaten nur so wimmelte. Sicherlich musste er die Reise auf dem Eselsrücken beenden, um die Minenfelder zu umgehen, und all dies ohne die Hilfe der Internationalen Schutztruppen oder der afghanischen Armee. Kein kleines Unterfangen. Er musste ein paar Männer mitnehmen, Lebensmittelvorräte, sie würden in Dörfern übernachten müssen statt in einem Guesthouse, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Mindestens zwei Tage für die Hinfahrt, vielleicht auch drei, und genauso lange für die Rückfahrt. Die einzig gute Nachricht war, dass es sich um eine relativ flache Gegend mit maximal fünfhundert Meter hohen Erhebungen handelte.
»Was wollen Sie jetzt tun,
Qoumaandaan
?«, fragte Gulbudin.
»Ich glaube, uns bleibt gar nichts anderes übrig, als dorthin zu fahren. Dschihad, Rangin und Abdul begleiten uns. Ich nehme auch meinen Neffen und einen seiner Freunde mit, sie können das Maschinengewahr auf dem Pick-up bedienen, das DSchk. Lass dir in der Waffenkammer des Kommissariats Waffen aushändigen und bring den Geländewagen zur Inspektion. Besorg uns außerdem einen Kurzwellenempfänger für den Fall, dass wir die Armee zu Hilfe rufen müssen.«
»Ich habe schon das Nötige veranlasst. Geht klar, Waffen und Autos«, sagte Gulbudin.
»Wann fahren wir los,
Qoumaandaan
?«, fragte Rangin.
»So rasch wie möglich. Morgen bei Tagesanbruch, sofern der Geländewagen bereitsteht. Abfahrt um halb fünf.«
»Um diese Uhrzeit sind die Anti-Minen-Suchmaschinen der ISAF noch nicht vorbeipatrouilliert!«
»Ich weiß, aber wir können nicht bis neun Uhr warten, ich will, dass wir Kabul verlassen haben, bevor irgendjemand bemerkt, was wir da tun. Wir gehen das Risiko ein.«
Gulbudins Gesicht verfinsterte sich, aber er nickte stumm.
»Ich weiß nicht genau, was wir finden werden und wo wir landen«, fügte Osama hinzu. »Ich weiß nur, dass Wali Wadi dort ein äußerst wichtiges Dokument versteckt hat, für den Fall, dass ihm etwas zustößt, und dass er Vorkehrungen getroffen hat, damit man es nötigenfalls auch findet. Ich hoffe, dort liegt der Schlüssel zu allem. Wenn wir ihn finden, war der Tod Babraks nicht vergeblich.«
»Ich kümmere mich um die Reise, Chef. Morgen früh um halb fünf steht alles bereit.«
»Wir müssen unser Ziel geheim halten. Lasst eure Frauen im Ungewissen. Nein, sagt ihnen, wir würden nach Norden fahren.«
Osama öffnete die Schublade seines Schreibtischs und nahm den Umschlag mit den Dollars heraus, den ihm der Justizminister übergeben hatte. Auf dieser Fahrt würde er dieses Geld ohne Zweifel gut gebrauchen können. Nach kurzem Zögern packte er auch sämtliche Landkarten des Generalstabs ein. Niemand sollte wissen, wo er hinfuhr.
***
Am anderen Ende der Welt, im Hauptquartier der Firma in Bern, blinkte ein Alarmzeichen auf dem Bildschirm eines Operators auf. Der Computer informierte ihn, dass eine afghanische IP-Adresse sich von Kabul aus mit dem Internet verbunden und auf Google verschiedene Suchanfragen gestartet hatte, in denen ein als
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