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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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wenigen Reformen der Taliban gewesen, die sich positiv für die Frauen auswirkten. Tatsächlich schloss das paschtunische Gesetz die Erbfolge der Frauen vollkommen aus, während der Koran ihnen traditionell die Hälfte des Anteils des Mannes zusicherte. Die Taliban hatten also die Zuteilung der Hälfte des Besitzes an die Frau gesetzlich festgelegt, was bei vielen Stämmen auf heftigen Widerstand stieß. Osama hatte in einer Zeitung gelesen, dass ebendiese Reform den endgültigen Bruch zwischen der gemäßigten und der konservativen Fraktion des Talibanregimes herbeigeführt hatte.
    »Ich wusste nicht, dass Sie dieses Gesetz entworfen haben. Meine Frau hielt es für eine schlechte Reform, weil die Einführung eines halben Anteils doch bedeute, dass die Frau nur halb so viel wert ist wie der Mann.«
    »Malalai irrt, Bruder Osama. Besser ein halbes Etwas als ein völliges Nichts. In diesem Land ist es schwierig, Reformen durchzuführen. Die Reaktionäre kämpfen stets erbitterter als die Kräfte des Fortschritts, und oft sind sie besser organisiert. Ich hätte niemals eine Gleichberechtigung von Mann und Frau durchsetzen können.«
    »Aber wollten Sie die denn?«
    »Was ich wollte, spielt gar keine Rolle, solange die Chancen, es durchzusetzen, gleich null sind. In der Politik zählt nur das, was man erreichen kann: lieber keine Debatte und ein kleiner Schritt in die richtige Richtung als eine große Debatte und überhaupt keine Bewegung.«
    Sie schwiegen, denn es wurde abermals ein Gang weichgekochter Eier serviert. Nick war zurückgekommen, in kleinen Häppchen gelang es ihm, drei Eier zu verdrücken, zusammen mit ein wenig schimmeligem Brot. Er hustete. Die Luft war unerträglich, denn im Ofen verbrannten Kuhfladen – was den Fremden eine große Ehre sein musste, denn diese ekelerregenden Fladen mit dem hohen Heizwert waren selten und teuer.
    »Habt ihr in den letzten beiden Tagen einen
Kāfir
in einem großen Auto mit einer afghanischen Frau gesehen?«, fragte Osama nach dem Essen.
    Der Dorfbewohner nickte und lachte.
    »Allerdings. Und man kann sagen, es ging ihm sehr schlecht. Die ganze Zeit am Straßenrand. Und immer wieder: ›
Tachnaab da koujaas? Tachnaab da koujaas?
‹«
    Wo sind die Toiletten?
Léonard Mandrakes Magen war es offenbar ebenso ergangen wie dem von Nick.
    »Wisst ihr, wohin sie gefahren sind?«, erkundigte sich Mullah Bakir.
    »In Richtung Kir. Aber die Taliban suchen nach ihnen. Wir haben sie davor gewarnt, weiterzufahren. Gefährlich.
Khaana bourou,
fahrt wieder zurück nach Hause. Aber sie haben nicht auf uns gehört. Sie werden große Probleme bekommen.«
    »Haben die Taliban sie entführt?«, fragte Osama entsetzt.
    »
Chaayad
. Vielleicht.«
    Es war unmöglich, ihnen weitere Details zu entlocken, entweder weil sie nicht mehr wussten oder weil sie nichts sagen wollten.
     
    Am nächsten Morgen hatte der Schnee sämtliche umliegenden Berge mit einer neuen makellosen Schicht überzuckert. Die Landschaft war großartig. Eine wilde, raue Natur, in der der Mensch keinen Platz hatte. Osama ging ein paar Schritte, um zu beten und das Panorama zu genießen. Als er von seinem Spaziergang wiederkam, waren Nick und Mullah Bakir bereit zur Weiterfahrt. Nicks Durchfall hatte sich in der Nacht beruhigt, endlich begannen die Medikamente Wirkung zu zeigen. Die Dorfbewohner lehnten die fünfhundert Afghanis vehement ab, die sie ihnen geben wollten. Es sei eine Ehre, so sagten sie, Mullah Bakir in ihrem Haus zu beherbergen. Doch der Mullah insistierte, bis das Dorfoberhaupt die Scheine annahm.
    »Ich werde zwei Hammel kaufen, für meine zukünftige Frau«, sagte er mit einem Lächeln.
    In vielen Dörfern musste man ein oder zwei Pferde und mehrere Hammel beibringen, außerdem Tausende Dollar zahlen, wenn man eine zweite, noch unberührte Frau wollte. Die ärmsten Dorfbewohner emigrierten in den Iran oder in die Golfstaaten, sie quälten sich bis aufs Blut, um absurde Mitgiften ranzuschaffen, die einen Gegenwert von mehreren Jahreslöhnen hatten. Wenn ein Mann von seiner Frau enttäuscht war, nachdem er so viel Geld für sie hingelegt hatte, verbrannte er sie oder schüttete ihr Säure ins Gesicht und verlangte die Rückgabe der Mitgift.
    »Das Sparen für eine Mitgift ist das Einzige, was in diesem Land gut funktioniert, neben den Selbstmordattentaten und dem Bakschisch«, bemerkte Mullah Bakir launig.
    Sie verbrachten den ganzen Tag im Auto, im Schnitt fuhren sie zwischen zwanzig und fünfundzwanzig

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