Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Leben zu lassen? Sie hassen die Machthaber. Mit Ihrem Aussehen und Ihrem Dari-Akzent aus der Hauptstadt wird man Sie für einen belutschischen Befehlshaber halten oder, schlimmer noch, für einen Freund des Regimes. Sie werden keine zwei Stunden überleben. Und von Ihrem Freund will ich gar nicht erst reden. Ich hingegen bin bei allen Afghanen bekannt. Jeder weiß, dass ich ein ehemaliges Mitglied des Geheimrats der Taliban bin. Die Leute ahnen ja nicht, dass Mullah Omar mich gegen Ende des Regimes einsperren oder töten wollte. Alle halten mich für seinen Freund. Und in diesen Gebieten nahe der pakistanischen Grenze wird er zutiefst verehrt.«
»Gut«, sagte Osama nach einem längeren Schweigen. »Ich kümmere ich mich um unsere Ausrüstung. Treffen wir uns hier in zwei Stunden wieder.«
Er war sich der Gefahr durchaus bewusst, als er sein Versteck verließ – doch er kannte einen verlässlichen Autohändler, einen Hazara, in der Nähe der Moulavi-Abdul-Mateen-Moschee, der in seiner Schuld stand. Vier Jahre zuvor hatteOsama ihm die Anschuldigungen seines Schwagers widerlegen können, der ihn des Mordes bezichtigt hatte, um sich seines Geschäfts zu bemächtigen. Er hatte ihm das Leben gerettet, denn ein korrupter Richter hatte ihn bereits ins Gefängnis geworfen, in eine Gemeinschaftszelle mit lauter Paschtunen.
Der Werkstattbesitzer empfing ihn mit offenen Armen. Nach dem Austausch der üblichen Grußformeln und dem unvermeidlichen heißen Tee, kam Osama direkt aufs Thema zu sprechen.
»Ich brauche einen soliden Geländewagen, für den auch verschneite Gebirgshänge kein Hindernis sind. Könntest du mir einen Jeep Wolga oder einen Kamaz leihen?«
Der Mann musterte ihn eindringlich. »Ich weiß, dass Sie Feinde haben, aber Sie haben mir das Leben gerettet,
Qoumaandaan
. Sie können sich auf mich verlassen … Ich habe einen fast neuen Toyota, er gehörte einem Warlord, der von den Amerikanern getötet wurde. Er ist gepanzert und hat einen V8-Motor in einwandfreiem Zustand. Hier, sehen Sie!«
Der deutete auf einen Land Cruiser mit langem Chassis, der Wagen wirkte beeindruckend mit seinem Bullenfänger, den getönten Scheiben und den Winterreifen. Zwei große Antennen führten vom Dach bis zu einer Art Mast, der an den vorderen Stoßfängern festgeschweißt war.
»Eine ultramoderne Funkvorrichtung, mit der ferngesteuerte Bomben in die Irre geleitet werden können.« Der Autohändler klopfte gegen die Scheibe, die keinen Ton von sich gab. »Hier, das ist B7. Scheiben und Türen sind gepanzert, sie halten auch dem Kugelhagel einer Kalaschnikow stand. Dieser Geländewagen kann schneller als hundert Kilometer fahren, obwohl er so schwer ist. Der Warlord ließ vorne eine spezielle Seilwinde anbringen, um sich herausziehen zu lassen, wenn er in eine Gletscherspalte geraten war. Im Kofferraum ist ein fünfzig Meter langes Kabel. Genau diesen Wagen brauchen Sie.«
Er öffnete die Heckklappe und präsentierte stolz eine kompletteWinterausrüstung für mehrere Personen, Anoraks, Handschuhe, Mützen, alles, was man brauchte, wenn man im Winter in den Bergen unterwegs war. Die Standardausrüstung für Drogenhändler. Zwei Kalaschnikows mit Klappkolben und sogar ein AKM-Gewehr ragten unter einer Decke hervor. In einer Kiste lagen Dutzende von Magazinen und mehrere Granaten.
»Ich habe den Geländewagen am Tag nach der Festnahme abgeholt, ich habe nichts daran verändert, weil ich hoffte, ihn einem anderen Warlord verkaufen zu können.«
»Warum hat der NDS dir diesen Wagen überlassen?«
Der Händler setzte ein verschlagenes Lächeln auf.
»Sie haben nur die Drogen beschlagnahmt und diesen Wagen gegen einen anderen ausgetauscht, einen alten Lada. Der wurde dann ins Register der beschlagnahmten Wagen eingetragen. Ich hab da so ein Abkommen mit dem Chefinspektor, einem Cousin meiner Zweitfrau. Er bekommt fünfzig Prozent vom Verkaufspreis.«
Osama nickte. Ein klassisches Bakschisch, so, wie er sie persönlich nie angenommen hatte.
»So viel Geld habe ich nicht. Wie viel würde er für eine Woche kosten?«, fragte Osama.
»
Qoumaandaan,
ich stehe tief in Ihrer Schuld! Ich wäre zu Tode beleidigt, wenn ich auch nur einen Afghani von Ihnen für diesen Wagen verlangte. Behalten Sie ihn zwei Wochen lang, wenn Sie wollen.«
Osama schüttelte ihm dankbar die Hand, und der Mann drückte sie, wie es Brauch bei den Hazara war.
»Viel Glück,
Qoumaandaan
. Möge Allah Ihnen helfen, Ihre Feinde und die Freunde Ihrer Feinde zu
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