Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
verhandelt.«
»Wir müssen mit dem Ausländer sprechen«, sagte Mullah Bakir. »Er hat einen großen Wert für uns. Wir geben dir mehr Dollar als die Herz-e-Islami. Viel mehr!«
»Und das Mädchen?«, fragte Osama. »Was hast du mit ihr gemacht?«
»Sich mit einem Nazarener zusammenzutun ist ein Verbrechen, sie ist eine Schlampe! Ich habe mit dem Imam aus dem Dorf darüber gesprochen, und er hat uns seinen Entschluss mitgeteilt,
Allahu Akbar
. Er ist ein weiser Mann, er kann lesen und bis zehn zählen!«
»Was hat er bestimmt?«
»Der Imam hat bestätigt, dass diese Frau den Islam und unsere Gesetze verraten hat, indem sie ohne ihren Vater oder Bruder mit einem Mann ausging. Der Koran, unser Heiliges Buch, untersagt die Ehe zwischen einer Muslima und einem
Kāfir
, wenn er nicht vor der Ehe zu unserem Glauben übergetreten ist. Die Frau musste bestraft werden.«
»Was haben Sie ihr angetan?«
»Der Imam hat in seiner großen Weisheit beschlossen, dass das Mädchen vor seinem Tod eine muslimische Ehe eingehen und die Krieger befriedigen muss, die für die Scharia und das Heilige Buch und gegen die
Kuffār
kämpfen. Wir sind dreißig Krieger in voller Manneskraft, und wir haben alle viel für Allah geopfert. Die Frau wurde mit jedem von uns verheiratet, bevor sie ihre Strafe nach den Vorschriften des Heiligen Buches fand.«
»Ihr habt sie vergewaltigt und dann gesteinigt!«, rief Mullah Bakir entsetzt.
»Nicht vergewaltigt, Mullah, sondern wir haben bei ihr gelegen nach den Regeln des Islam, Allah sei gepriesen – sie hatte großes Vergnügen daran. Wir sind alle jung und kräftig. Ich habe die Ehe als Erster vollzogen, gestern am frühen Nachmittag, und dann noch einmal vor dem Fünf-Uhr-Gebet unddann noch einmal danach. Den ganzen Abend habe ich die Ehe vollzogen, Allah ist mein Zeuge, dass ich meinen Mann gestanden habe! Dann hat Abdul die Ehe vollzogen, dann Mohammed, dann Hazrat, dann Younous. Die ganze Nacht. Abdullah, Zalmay, Bismullah, Wahid, Sebghatollah, Jarollah, Zarar. Alle haben sie durch ihre Manneskraft geehrt, und die war mächtig, Allah kann es bezeugen. Vielleicht wurde die Frau noch nicht gesteinigt, vielleicht sind auch noch ein paar Krieger dabei, die Ehe mit ihr zu vollziehen.«
»Fahren wir sofort dorthin«, befahl Mullah Bakir. »Zeigt uns den Weg. Ich werde mit eurem Imam sprechen.«
Mit unbewegtem Gesicht klatschte der Anführer in die Hände, und seine Truppe setzte sich in Bewegung. Mullah Bakirs Autorität war so groß, dass dem Taliban nicht einmal der Gedanke gekommen wäre, sie in Frage zu stellen. Zu der Gruppe stieß noch ein Kind mit drei Eseln. Der Anführer und zwei seiner Männer saßen auf den Eseln auf, gefolgt von ihren Kriegern und schließlich von dem Geländewagen. Die dicke Schneeschicht behinderte die Esel beim Gehen, sie kamen nur schleppend voran.
Sie waren am Boden zerstört. Osama hatte schon extreme Gewalt erfahren, aber das war im Krieg gewesen, und Kabul war eine große, im Vergleich hochzivilisierte Stadt. In diesem von der Welt vergessenen Hinterland wurde ihm allmählich bewusst, dass die Realität seines Landes weit von seiner Vorstellung entfernt war. Er dachte an Malalais Kampf für die Rechte der Frau. Es würde ihr nie und nimmer gelingen!
Sie fuhren im Schritttempo dahin, bis die Männer auf einmal abbogen, ihnen aber ein Zeichen machten, weiter geradeaus zu fahren. Osama beschleunigte.
»Herz-e-Islami – was für eine Gruppierung steckt dahinter?«, fragte Nick.
»Sie wurde von meinem schlimmsten Feind gegründet«, gab Mullah Bakir düster zurück.
Diese Neuigkeit trug nicht gerade zu großer Hoffnung bei. Hatten sich denn alle gegen sie verschworen? Was hatten sie dem Himmel angetan, dass ihnen solche Steine in den Weg gelegt wurden?
»Erzählen Sie uns mehr«, bat Nick, »dann wissen wir zumindest, worauf wir uns gefasst machen müssen.«
»Es gab in Afghanistan einen Warlord namens Gulbuddin Hekmatyar. Zusammen mit Massud und Dostom war er der wichtigste Mann im Kampf gegen die Rote Armee und einer derjenigen, die sich für den Rückzug der Kommunisten einsetzten. Als wir 1996 mit unserer Eroberung Afghanistans begannen, verriet Hekmatyar Dostom und Massud und schlug sich damit auf unsere Seite. Uns half er dadurch, an die Macht zu kommen. Wir haben zusammen im Obersten Rat der Taliban gesessen. Er ist ein glühender Islamist, der natürlich die Scharia propagiert und eine äußerst primitive Konzeption des Islam vertritt. Hekmatyar
Weitere Kostenlose Bücher