Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Interessantes unterhalten hätten.«
»Um Himmels willen, hör doch bitte einmal auf mich! Tu das nicht, ich flehe dich an. Tritt nicht der RAWA bei.«
»Und wenn doch? Wirst du mich zu Hause einsperren, wie eine schlechte Frau, unter der Aufsicht eines deiner Cousins? Mich vielleicht schlagen?«, rief sie mit herausfordernder Miene.
»Jetzt bist du diejenige, die Unsinn redet. Tu es nicht, das ist alles. Vor allem auf die RAWA haben es die Taliban abgesehen. Wenn sie wieder an die Macht kommen, könnte nicht einmal ich dich beschützen. Dann müssten wir fliehen.«
»Wenn ich jetzt die Hände in den Schoß lege, wer kämpft dann für unsere Rechte? Die NATO? Mein Entschluss steht fest.«
Mit großen Schritten stürmte sie hinaus. Einige Sekunden später hörte er, wie sie den Motor ihres Rollers aufheulen ließ und davonbrauste, dass der Kies auf dem Sträßchen nur so knirschte. Dann herrschte Stille. Kurz darauf verließ auch Osama das Haus. Sein Fahrer wartete am Tor, er wirkte verlegen. Vielleicht hatte er sie zanken hören. Der Streit eines Ehepaars endete für gewöhnlich damit, dass die rebellische Ehefrau gemaßregelt wurde. Das gesamte Kommissariat, so dachte Osama, war vermutlich noch vor heute Mittag bestens über das unterrichtet, was hier vorgefallen war. Wieder würden sie sich über seine Schwäche lustig machen. Er fragte sich, was er Allah wohl angetan hatte, dass dieser ihn mit der Liebe zu einer derartigen Frau strafte!
Sein Team wartete vollständig im Besprechungszimmer auf ihn, doch er war durch den Streit mit Malalai derart verärgert, dass er sich ohne ein Wort direkt in sein Büro verzog. Dumpf grübelnd verbrachte er den halben Vormittag hinter verschlossener Tür. Malalai war sich nicht bewusst, wie ernst die Taliban es meinten. Die jungen Nachwuchs-Märtyrer stritten um die Ehre, sich inmitten einer Versammlung der RAWA in die Luft sprengen zu dürfen. Außerdem bestand die Gefahr, verraten zu werden: Die Polizei verhaftete immer mehr Frauen, die ebenfalls als
Shahid,
als Märtyrerin, sterben wollten.
Zerstreut sah Osama seine Post durch, als ein Hilfspolizist hereinkam und ihm ausrichtete, ein Botenjunge stünde vor der Tür. Der Bursche war keine zwölf Jahre alt und trug eine lange, fleckige Baumwolltunika und ausgetretene Sportschuhe ohneSocken, auf dem Kopf trug er das Käppi eines Koranschülers. Er schien ganz verschüchtert – das Zentralkommissariat war ein Ort, der in den Augen der meisten Bewohner Kabuls einen unheilvollen Ruf hatte. Der Junge hielt Osama einen Umschlag hin. Der Kommissar öffnete ihn sofort, unter Missachtung der Sicherheitsvorschriften, denn er wusste genau, von wem der Brief stammte. Der Umschlag enthielt lediglich ein einziges Blatt, einen dicken Bogen Papier von guter Qualität. Darauf stand:
Ich erwarte Sie so bald wie möglich. Ich könnte Ihren Mann freibekommen.
Osama bedankte sich bei dem Jungen mit einem Geldschein im Wert von zehn Afghanis. Aus taktischen Gründen blieb er noch eine halbe Stunde im Büro und widmete sich dem Tagesgeschäft, dann nahm er seinen Revolver und seine Handgranate und stahl sich durch die Hintertür davon. Etwa zwanzig Minuten lang lief er aufs Geratewohl durch die Gegend. Als er sicher war, dass niemand ihm folgte, winkte er ein Taxi herbei. Derselbe Einbeinige wie beim ersten Mal führte ihn ins Büro des Mullahs. Dieser saß gerade beim Essen, eine Serviette um den Hals.
»Ah,
Qoumaandaan
! Ich esse gerade einen besonders leckeren Lammeintopf mit eingelegten Früchten. Möchten Sie probieren?«
»Danke, ich nehme nur etwas zu trinken«, erwiderte Osama.
Der Mullah machte ein enttäuschtes Gesicht. Sein Bauch wölbte sich so weit vor, dass er gezwungen war, ein wenig Abstand vom Tisch zu halten und die Arme zum Teller ausstrecken musste. Während er sich wohlig brummend vollstopfte, unterhielten sie sich ein wenig übers Wetter, über die Regierung und den jüngsten Schnitzer der ISAF. Dann wischte sich Mullah Bakir den Bart mit der Serviette ab und schob den Teller beiseite.
»Phantastisch! Schade, dass Sie nichts abhaben wollten. Als meine Frau noch am Leben war, bereitete sie den köstlichsten Eintopf von ganz Kabul zu, mit Kumin und
Massaman
undanderen Gewürzen, deren Namen ich nicht einmal kenne. Zum Glück hat eine meiner Dienerinnen ihr Rezept gefunden!«
»Gibt es bei Ihnen jeden Tag ein solches Festmahl?«
»Sooft Allah es mir ermöglicht, und das ist – Allah sei’s gedankt – ziemlich oft.
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