Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
zerfasert war.
»Alles fertig,
Hajj
.«
Er klatschte mehrmals in die Hände, um sie zu wärmen, und öffnete dann die Heckklappe. Zwei Tiegel mit Spurensicherungspulver, neue Pinsel, Handschuhe – die notwendige Ausrüstung, um bei Wali Wadi Fingerabdrücke zu nehmen. Osama nahm vorne Platz, Gulbudin stieg hinten ein. Der Fahrer kaute getrocknete Datteln, eine Thermoskanne mit Tee war zwischen die Vordersitze geklemmt. Im Wagen herrschte eisige Kälte, da Osama darum gebeten hatte, die Nachbarn nicht durch den laufenden Motor zu stören. Der Konvoi setzte sich in Bewegung. Die Straßen waren leer, nur vereinzelt sahen sie einen Militärtransport oder einen Lieferwagen. Sie brauchten weniger als fünfzehn Minuten, bis sie in die kleine Straße bogen, in der sich Wali Wadis Palast befand. Osama riss das Absperrungsband an der Tür ab. Der Nachtwächter, ein Polizist im Ruhestand, schlief tief und fest, eingehüllt in seinen Umhang. Gulbudin klopfte ihm auf die Schulter, damit er wach wurde und Bescheid wusste, dass sie hineingingen. Der Mann nickte, schlief aber gleich wieder ein. Im Gänsemarsch betraten sie das Haus. Die Gasheizung war in Betrieb, es herrschte eine angenehme Temperatur. Ein wenig neidisch dachte Osama, dass Wali Wadi trotz des Krieges zweifellos niemals hatte frieren müssen.
»Wo suchen wir?«, fragte Gulbudin.
»An den Stellen, die Dortmund berührt haben könnte, als er hier war. Im Arbeitszimmer. Im Wohnzimmer. In der Küche. Im Grunde überall.«
Die Männer verteilten sich, jeder einen Pinsel in der Hand und ein Säckchen mit reichlich Spurensicherungspulver in der Tasche. Osama nahm sich das Arbeitszimmer vor. Fingerabdrücke fanden sich überall. Er verteilte das Pulver auf den Flächen, und wenn sich ein Abdruck abzeichnete, verglich er ihn mit dem Foto von den Fingerabdrücken Dortmunds. Nach einer Stunde kannte er die Rillen und Furchen des Deutschen auswendig und konnte sofort sagen, ob ein neu entdeckter Fingerabdruck von diesem stammte oder nicht; nach zwei Stunden konzentrierte er sich auf den Safe. Er zweifelte nicht mehr daran, dass Dortmund Wali Wadi aufgesucht hatte, doch noch fehlte ihm der Beweis. Das Glück lächelte ihm schließlich gegen halb sieben Uhr morgens, als die fahle Morgendämmerung durchs Fenster linste. Im Innern des Safes fand sich ein Abdruck der Innenseite von Dortmunds linkem Zeigefinger. Vermutlich hatte er ihn hinterlassen, als er noch einmal prüfen wollte, ob Gegenstände im Innern zurückgeblieben waren. Osama fand einen zweiten auf der Innenseite der Tür, vom Daumen.
Kurz darauf stürzte Gulbudin herein und verkündete aufgeregt: »Wir haben einen Abdruck des Deutschen auf der Toilette gefunden!«
Osama folgte ihm. Der Raum war großzügig, die Wände verziert, die Decke handbemalt. Der Halter für das Toilettenpapier hatte die Form einer goldenen Ente, der Wasserhahn die eines Schwans.
»Nicht schlecht, was?«, sagte Gulbudin.
Wali Wadi entstammte einer armen Familie vom Land, wo nach wie vor mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebte. Dort gab es weder Badezimmer noch Toiletten, Männer und Frauen erleichterten sich in der Umgebung ihrer Häuser, wischten sich mit Sand oder einem flachen Stein ab. Diese groteske Toilette erschien ihm wie Wali Wadis Rache am Leben.
Die Wände waren nun förmlich eingestaubt mit dem Pulverfür die Spurensicherung. Gulbudin deutete auf eine Stelle neben dem goldenen Toilettenrollenhalter.
»Hier. Dortmund hat sich im Sitzen an der Wand abgestützt.«
Osama nickte zufrieden. Drei Fingerabdrücke Dortmunds, mehr, als nötig war, um ihn mit dem Mord an Wali Wadi in Verbindung zu bringen.
Um neun Uhr gab er das Zeichen zum Aufbruch.
11
Osama saß im Verhörraum. Ihm gegenüber ein Mann, angeklagt, einen Nachbarn mit einer Hacke erschlagen zu haben. Auslöser des Verbrechens war ein Gemüsekarren gewesen, den der Mörder in seinen Besitz bringen wollte, um selbst ein Geschäft im Viertel zu betreiben. Er leugnete die Tat, obwohl man Blutspuren an seiner Kleidung und die Hacke in einem Zimmer seines Hauses gefunden hatte. Er hätte sie wegwerfen sollen, doch sie hatte fünfhundert Afghanis gekostet, da wollte er sie lieber behalten. Nun würde er dreißig Jahre in Pule-Charkhi einsitzen, wenn ihn das Gericht nicht gleich zum Tod durch den Strang verurteilte. Osama erhob sich und ließ Rangin das Verhör zu Ende bringen, für ihn war die Sache abgeschlossen. Er ging durch den Warteraum, in dem zwei weitere
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