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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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tat es mit der Hand und allein, um sich mit dem Inhalt dieser menschlichen Wundertüte vertraut zu machen. In der Tat war die Wahl nicht übel. Die meisten hatten militärische Erfahrung, und der Rest verfügte über irgendwelche verborgenen technischen Spezialkenntnisse.
    Einige waren wirklich geheimnisvoll. Er hielt den Monitor an, um das Gesicht der außergewöhnlich schönen Frau zu studieren, die ihn so angestarrt hatte. Welcher Teufel hatte Baz geritten, eine Spezialistin für Sicherheits-Vorkehrungen in Banken als Söldnerin anzuheuern? Wahrscheinlich wollte sie unter allen Umständen den Planeten verlassen. Egal. Die Erklärung des Geheimnisses stand in ihrem Lebenslauf. Sie war Fähnrich bei der Weltraumtruppe auf Escobar gewesen. Nach dem Krieg mit Barrayar war sie vor neunzehn Jahren ehrenvoll aus medizinischen Gründen entlassen worden. Entlassungen aus medizinischen Gründen mussten damals sehr in Mode gewesen sein, Miles dachte an Bothari. Plötzlich stellten sich ihm die Haare zu Berg.
    Große dunkle Augen, die klare, kantige Kinnpartie – ihr Nachname lautete Visconti, typisch für Escobar. Und ihr Vorname war Elena.
    »Nein!«, flüsterte Miles entsetzt. »Das ist doch nicht möglich! Jedenfalls, nicht wahrscheinlich …« Dann las er das Resümee nochmals ganz sorgfältig durch. Die escobarische Frau war vor einem Jahr nach Tau Verde IV gekommen, um eine Kommunikationsverbindung zu installieren, welche ihre Firma einer felicianischen Bank verkauft hatte. Das war gerade einige Tage, ehe der Krieg begonnen hatte.
    Zur Person hatte sie angegeben: nicht verheiratet, keine Kinder. Miles drehte sich um und saß mit dem Rücken zum Bildschirm. Dann wagte er wieder einen Blick. Sie war ungewöhnlich jung gewesen, um als Offizier im Krieg zwischen Escobar und Barrayar gedient zu haben – vielleicht so eine Art tollkühner Heißsporn. Miles ertappte sich bei der Frage, seit wann er sich wie jemand in mittleren Jahren vorkam.
    Aber, wenn sie – rein theoretisch – doch die Mutter seiner Elena war, blieb die Frage offen, wie sie sich mit Sergeant Bothari hatte einlassen können. Bothari ging damals schon auf die vierzig zu und hatte nicht viel anders ausgesehen, als heute. Das wusste Miles durch Vids aus den ersten Ehejahren seiner Eltern. Nun, Geschmäcker sind verschieden.
    In seiner Phantasie tauchte unwillkürlich das Bild einer wunderschönen Familienzusammenführung auf, obwohl noch alle Beweise fehlten: Er könnte Elena nicht nur ein Grab präsentieren, sondern eine Mutter in Fleisch und Blut, nach der sie sich so sehnte. Damit würde der Hunger gestillt sein, der sie schärfer als ein Dorn ihr ganzes Leben gepeinigt hatte. Dieses Verlangen entsprach seinem Wunsch, seinem Vater eine Freude zu machen. Ja, das würde eine wahrlich heroische Tat sein und mehr wert als alle materiellen Reichtümer, mit denen er sie überschütten könnte. Bei der Vorstellung ihrer Freude schmolz er förmlich dahin.
    Aber … aber … es war nur eine Hypothese, die keinesfalls leicht zu überprüfen sein würde. Er hatte gemerkt, dass der Sergeant nicht absolut ehrlich war, wenn er behauptete, sich an Escobar nicht mehr zu erinnern, aber möglich war es trotzdem. Vielleicht war diese Frau auch jemand ganz anderer. Er musste den Test blind und nur für sich durchführen. Dann konnte kein Schaden entstehen, falls er sich irrte.
     
    Miles hielt am nächsten Tag seine erste Stabsbesprechung mit den höheren Offizieren ab. Er wollte einerseits seine neuen Helfershelfer kennenlernen, hauptsächlich aber Ideen hören, wie man die Blockade durchbrechen könnte.
    Bei so vielen militärischen und exmilitärischen Talenten musste doch eines dabei sein, das wusste, was sie tun sollten. Es wurden weitere Exemplare der ›Dendarii Dienstvorschrift‹ verteilt. Dann zog Miles sich in seine Kajüte auf dem Flaggschiff zurück, um die Parameter des felicianischen Kuriers nochmals durch die Computer laufen zu lassen.
    Für die zweiwöchige Fahrt zur Kolonie Beta hatte er die beschränkte Aufnahmemöglichkeit für vier Passagiere durch Weglassen von Gepäck und knappste Proviantberechnung auf fünf herauf geschraubt. Es musste eine Möglichkeit geben, auch sieben Leute an Bord unterzubringen. Dabei musste er ständig den Gedanken an die Söldner zurückdrängen, die mit größter Ungeduld auf seine Rückkehr mit der versprochenen Verstärkung warteten … warteten … und warteten …
    Länger konnten sie hier nicht bleiben. Der

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