Das Kadett
Barrayaranischer Soldat. Es überrascht mich nicht, dass er bei einer obskuren Söldnerflotte gelandet ist. Aber er war Admiral Vorrutyers oberster Folterknecht, als die Barrayaraner versuchten, Escobar zu erobern. Aber vielleicht wussten Sie das.«
Ihre Augen schienen Miles wie mit Messern zu häuten. Es war nur ein Moment, aber ihm kam dieser Moment wie eine Ewigkeit vor in der relativistischen Geschwindigkeit, mit der er fiel.
»Ich … ich …«, stammelte er und blickte Elena an. Ihre Augen waren riesig, der Körper zum Sprung bereit.
»Der Admiral vergewaltigte seine Opfer nie selbst – er sah lieber zu. Vorrutyer war Prinz Sergs Lustknabe. Vielleicht war der Prinz eifersüchtig. Allerdings wendete der Prinz selbst die infamsten Foltermethoden an. Seine besondere Freude war es, hochschwangere Frauen zu vergewaltigen. Ich nehme an, Vorrutyers Schergen mussten diese beschaffen.«
Miles’ Verstand schrie: Nein, nein, nein … Es gab also doch so etwas wie latentes Wissen! Wie lange schon hatte er vermieden, Fragen zu stellen, weil er die Antworten nicht hören wollte? In Elenas Gesicht stand fassungslose Wut und Unglaube geschrieben. Gebe Gott, dass es so blieb! Seine Betäubungspistole lag auf Botharis Tisch. Hatte er eine Chance, die Schusslinie der Escobarin zu durchkreuzen und hinzuspringen?
»Ich war achtzehn Jahre alt, als ich diesen Ungeheuern in die Hände fiel. Ich hatte gerade die Schule beendet. Ich liebte den Krieg nicht, aber ich wollte meinem Land dienen und mein Heim schützen – dort draußen herrschte aber kein Krieg. Es war die reinste Hölle, die durch die unbeschränkte Macht des Oberkommandos der Barrayaraner immer schlimmer wurde.« Ihre Stimme klang fast hysterisch, als würden alte, bisher schlafende Terrorakte übermächtiger aufbrechen, als sie erwartet hatte. Miles musste sie irgendwie zum Schweigen bringen …
»Und der da« – ihr Finger krümmte sich um den Abzug der Nadelpistole –, »der war ihr williges Werkzeug, ihr Schoßhündchen, der für die beste Unterhaltung sorgte. Die Barrayaraner weigerten sich, ihre Kriegsverbrecher auszuliefern, und meine eigene Regierung verschenkte die Gerechtigkeit, die mir zugestanden hätte, in den Friedensverhandlungen. Und so ist er straffrei davongekommen und seit zwei Jahrzehnten mein Alptraum geworden. Aber in einer Söldnerflotte gilt eine eigene Justiz. Admiral Naismith, ich verlange die Festnahme dieses Mannes.«
»Ich kann nicht … es ist nicht …«, begann Miles. Dann blickte er Bothari flehend an, diese ungeheuerlichen Vorwürfe zu entkräften.
»Sergeant?«
Die Wortexplosion hatte Bothari wie mit Säure übergossen. Sein Gesicht war von tiefem Schmerz zerfurcht, die Stirn gerunzelt mit unsäglicher Anstrengung – sich zu erinnern? Seine Augen gingen von Elena zu Miles und zu der Escobarin. Ein Seufzer löste sich aus seiner Brust. Ein Mensch, der auf ewig in die Hölle hinabsteigt, aber noch einen flüchtigen Blick ins Paradies tun darf, sah vielleicht ebenso aus.
»Lady«, flüsterte er. »Du bist immer noch wunderschön.«
Reize sie nicht, Sergeant! schrie Miles stumm.
Das Gesicht der Frau verzog sich aus Wut und Angst. Dann fing sie sich. Ein Schauer winziger Silbertropfen brach aus der Waffe hervor. Die rasierklingenscharfen, spitzen Nadeln drangen in die Wand um Bothari ein.
Dann klemmte die Waffe. Fluchend drückte die Frau erneut auf den Abzug, doch ohne Erfolg. Bothari lehnte an der Wand und sagte ganz leise: »Ruh dich jetzt aus.«
Miles war nicht sicher, wen er damit meinte.
Im nächsten Augenblick war Miles bei seiner Betäubungspistole, doch Elena hatte sich bereits auf die Frau gestürzt, ihr die Nadelwaffe aus der Hand geschlagen und mit einem Fußtritt ans andere Ende des Raums befördert. Als Miles mit schussbereiter Waffe zielte, presste Elena schon die Arme der Frau außer sich vor Wut nach hinten. Doch die Frau wehrte sich nicht. Miles sah den Grund, als er sich zum Sergeant umdrehte.
Bothari sackte wie eine einstürzende Wand zusammen. Auf dem Hemd sah man nur vier oder fünf winzige Blutstropfen. Doch dann ergoss sich ein Blutstrom aus dem Mund. Er zuckte noch einmal. Miles kniete neben dem Kopf seines Leibwächters hin.
»Bothari!«
Der Sergeant lag still, die immer wachsamen Augen starr und offen. Blut floss aus dem Mund auf den Boden. Er sah aus, wie ein totes Tier, das von einem Auto überrollt worden war. Miles suchte nach den stecknadelgroßen Einschusslöchern in der Brust. Fünf
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