Das Kadett
Taktiksimulator der Triumph hatte gezeigt, dass die Vorstellung, die Oserer mit zweihundert Mann zu bezwingen, absoluter Größenwahn war. Trotzdem … Nein. Er zwang sich, vernünftig zu denken.
Eigentlich war es logisch, Elli Quinn mit dem zerstörten Gesicht zurückzulassen, da er für sie nicht als Lehnsherr verantwortlich war. Dann kam die Entscheidung zwischen Baz und Arde. Nahm er den Ingenieur zurück in die Kolonie Beta, würde dieser dort mit Sicherheit verhaftet und ausgeliefert. Eigentlich tat er ihm einen Gefallen, wenn er ihn hier zurückließ. Aber der Mann hatte selbstlos in den letzten Wochen geschuftet, um jeden militärischen Einfall Miles’ auszuführen. Außerdem durfte er gar nicht daran denken, was die Oserer mit ihren Deserteuren und allen, die mit diesen zusammengearbeitet hatten, tun würden, wenn sie sie irgendwann erwischten. Und das musste zwangsläufig geschehen. Andererseits würde er auf bequeme Weise die Romanze zwischen Baz und Elena zerstören. War das vielleicht der wahre Grund …?
Miles stellte fest, dass Logik ihm Magenschmerzen bereitete. Im Augenblick konnte er sich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren. Er schaute auf das Armbandchronometer. Noch ein paar Minuten länger! War es nicht albern gewesen, die Flasche des schrecklichen felicianischen Weins, samt vier Gläsern, in seinem Spind zu verstauen. Er brauchte sie nur herauszuholen, wenn … wenn …
Seufzend lehnte er sich zurück und lächelte Elena an. Sie saß auf dem Bett und blätterte in einem Handbuch über Exerzieren mit der Waffe. Sergeant Bothari reinigte und lud an einem kleinen Klapptisch ihre persönlichen Waffen. Elena lächelte zurück und nahm den Audioknopf aus dem Ohr.
»Hast du schon das körperliche Ertüchtigungsprogramm für unsere neuen Rekruten ausgetüftelt?«, fragte Miles. »Einige sehen aus, als hätten sie schon längere Zeit nicht mehr ordentlich trainiert.«
»Alles fertig«, versicherte sie ihm. »Ich fange mit einer großen Gruppe gleich beim nächsten Tageszyklus an. General Halify stellt mir die Sporthalle der Anlage zur Verfügung.« Sie machte eine Pause, dann fuhr sie fort. »Da wir gerade von einer längeren Trainingspause sprechen – solltest du nicht auch mitmachen?«
»Naja«, antwortete Miles.
»Gute Idee«, sagte der Sergeant, ohne aufzublicken.
»Mein Magen …«
»Es wäre für deine Truppen ein gutes Beispiel«, erklärte Elena und blickte ihn mit ihren großen dunklen Augen betont unschuldig an.
»Wer warnt die Leute, mich nicht in der Mitte durchzubrechen?«
Ihre Augen blitzten. »Ich lass dich so tun, als würdest du sie unterrichten.«
»Deine Trainingssachen sind in der untersten Schublade des Wandschranks«, sagte der Sergeant und blies ein Staubkörnchen von der silbrigen glockenförmigen Mündung einer Nervenschere.
Miles stöhnte. »Schon gut, ich gebe auf.« Wieder sah er auf den Chronometer. Es musste jeden Augenblick soweit sein.
Die Tür der Kajüte glitt auf. Die Frau aus Escobar war auf die Minute pünktlich. »Guten Tag, Technikerin Visconti«, begrüßte Miles sie freundlich. Die nächsten Worte blieben ihm im Hals stecken, als sie eine Nadelpistole hob und mit beiden Händen zielte.
»Keiner bewegt sich!«, rief sie.
Diese Anweisung war unnötig. Miles zumindest war vor Schreck wie erstarrt.
»So, du bist es also«, sagte sie. Vor Hass, Schmerz und Erschöpfung zitterte ihre Stimme. »Zuerst war ich nicht sicher. Du …«
Ihre Worte waren an Bothari gerichtet. Jedenfalls vermutete Miles dies, da sie genau auf die Brust des Sergeants zielte.
Der Sergeant hatte beim Öffnen der Tür sofort nach seinem Plasmabogen gegriffen. Doch jetzt fielen seine Hände seitlich hinab. Miles konnte es nicht fassen.
Da Elena im Schneidersitz gesessen hatte, konnte sie aus dieser Stellung heraus auch nicht so schnell aufspringen. Ihr Handlesegerät fiel aufs Bett. Nur das Audiogerät summte wie ein Insekt in der Stille.
Die Augen der Frau streiften blitzschnell Miles. Dann richteten sie sich wieder auf ihr Ziel. »Ich finde, Sie sollten wissen, Admiral Naismith, wen Sie als Leibwächter angeheuert haben.«
»Hören Sie! Warum geben Sie mir nicht Ihre Nadelpistole, setzen sich, und wir sprechen darüber.« Miles streckte ihr die offene Hand entgegen. Aus der Magengrube stiegen heiße Schauer auf. Seine Hand zitterte. So hatte er sich das Treffen nicht ausgemalt.
»Der da …« Sie deutete mit einem Nicken auf den Sergeant, »ist ein ehemaliger
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