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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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alter Hund. Ich bete, dass du mir einen Schluck aus dem Becher aufhebst, wenn er dir überfließt.«

 
EPILOG
     
    Die Übung für einen Notfall an der Dockanlage fand natürlich mitten im Nachtzyklus statt. Hätte ich aber auch gemacht, dachte Miles, als er mit den anderen Kadetten durch die Korridore der Plattform für Orbitalwaffen hetzte. Morgen war für seine Gruppe das harte, vierwöchige Training im Orbitalen freien Fall zu Ende. Die Ausbilder hatten in den letzten Tagen auch keine hässlichen Tricks mehr angewendet. Er hatte sich an den erwartungsvollen Gesprächen über den bevorstehenden Urlaub auf dem Heimatplaneten in der Offiziersmesse nicht beteiligt, sondern nur still dagesessen und über großartige Möglichkeiten für das Große Finale nachgedacht.
    Miles erreichte den ihm zugeteilten Lukenkorridor gleichzeitig mit einem Kameraden und dem Ausbilder. Das Gesicht des Offiziers war eine neutrale Maske. Kadett Kostolitz musterte Miles verstimmt.
    »Schleppst du immer noch diesen altmodischen Saustecher mit dir herum?«, fragte Kostolitz und deutete mit einem Nicken in Miles’ Gürtel.
    »Ich habe die Erlaubnis«, antwortete Miles ruhig.
    »Schläfst du auch mit dem Ding?«
    Ein nichtssagendes Lächeln. »Ja.«
    Miles überdachte das auf ihn zukommende Problem Kostolitz. Die Geschichte Barrayars garantierte, dass er während seiner gesamten Dienstzeit in der Kaiserlichen Armee Schwierigkeiten mit Klassenbewusstsein haben würde. Diese konnten aggressiv sein, wie bei Kostolitz, oder unterschwelliger. Er musste lernen, nicht nur damit umzugehen, sondern es kreativ ausnutzen, wenn seine Offiziere ihr bestes für ihn geben sollten.
    Miles hatte das unheimliche Gefühl, wie ein Arzt mittels eines Diagnoseschirms Kostolitz zu durchschauen. Jede Windung, jede emotionale Abschürfung, die beginnenden Krebszellen der Abneigung schienen vor seinem geistigen Auge rot markiert. Geduld. Das Problem wurde ständig deutlicher. Mit der Zeit und bei der richtigen Gelegenheit würde die Lösung kommen. Kostolitz konnte ihm viel beibringen. Vielleicht wurde diese Übung doch noch recht interessant.
    Kostolitz hatte ein dünnes, grünes Armband erworben, seit Miles zum letzten Mal mit ihm zusammen war. Er fragte sich, von welchem Schwachkopf von Ausbilder die Idee stammte. Diese Armbänder waren gleichsam umgekehrte Goldsterne: Grün bedeutete eine Verletzung bei einer Übung, gelb Tod, nach Einschätzung des Ausbilders, der die nachgestellte Katastrophe beurteilte. Nur wenige Kadetten schafften die Trainingslehrgänge ohne eine Sammlung von Armbändern. Miles war tags zuvor Ivan Vorpatril begegnet. Er trug zwei grüne und ein gelbes Band – nicht so schlimm, wie der arme Kerl in der Messe am vorigen Abend, der fünf gelbe hatte.
    Miles Ärmel war noch unverziert und erweckte dadurch mehr Aufmerksamkeit bei den Ausbildern, als ihm lieb war. Dieser Bekanntheitsgrad hatte auch eine angenehme Seite: Aufgeweckte Kameraden bemühten sich nämlich, Miles in ihre Gruppe zu bekommen – sozusagen als Armbandabschreckungsmittel. Die wirklich Aufgeweckten wollten allerdings jetzt nichts mehr mit ihm zu tun haben, da ihnen klar war, dass er langsam in die Schusslinie geraten musste. Miles grinste still vor sich hin. Er freute sich schon auf etwas besonders Hinterhältiges. Jede Zelle seines Körpers schien wach zu sein und zu singen.
    Kostolitz gähnte, warf noch einen angewiderten Blick auf Miles’ aristokratischen Dolch und nahm sich die Steuerbordseite des Gleiters vor, um alles laut Liste zu überprüfen. Miles tat das gleiche an der Backbordseite. Zwischen ihnen schwebte der Ausbilder und beobachtete sie scharf über die Schultern.
    Ein Gutes hatte das Abenteuer mit den Dendarii Söldnern gehabt: Miles wurde in der Schwerelosigkeit nicht mehr schlecht. Es war ein unerwarteter Bonus der Operation, die Tungs Chirurg an seinem Magen vorgenommen hatte. Man muss auch für Kleinigkeiten dankbar sein!
    Kostolitz arbeitete sehr schnell, wie Miles aus dem Augenwinkel mitbekam. Es wurde ja auch ihre Zeit gestoppt. Kostolitz zählte Atemmasken für den Notfall durch die Plexischeiben der Kisten und lief schnell weiter. Miles wollte ihm schon einen Tipp zurufen, hielt aber dann den Mund. Er würde keinen Dank ernten. Geduld. Weiter. Weiter. Weiter. Erste-Hilfe-Kasten – korrekt in der Wandhalterung. Automatisch misstrauisch öffnete Miles den Kasten und überprüfte, ob alles vorhanden und funktionsfähig war. Pflaster, Druckverband,

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