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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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das konntest nur du sein – wer würde mir schon Blumen auf den Knien bringen.« Ihr Blick hing einen Augenblick lang am Türknopf und enthüllte dadurch, welche Mess-Skala sie für die Berechnung der Größe benutzt hatte.
    Prompt fiel Miles auf die Knie und rutschte über den Teppich, um ihr mit übertriebener Verbeugung die Blumen zu überreichen. »Voilà!«, rief er, was Elena zum Lachen brachte. Dann protestierten seine Beine gegen die Misshandlung und verkrampften sich schmerzvoll. »Au!« Er räusperte sich und fuhr leise fort: »Könntest du mir vielleicht aufhelfen? Die verdammten Gravitationskrücken!«
    »Ach, du meine Güte.« Elena half ihm auf ihr schmales Bett hinauf und legte seine Beine gerade hin. Dann ging sie zurück zu ihrem Sessel.
    Miles sah sich in dem winzigen Schlafzimmer um. »Ist dieser Wandschrank das beste, was wir dir bieten können?«
    »Mir gefällt es. Ich mag das Fenster auf die Straße hinaus«, versicherte sie ihm. »Es ist größer als das Zimmer meines Vaters.« Sie roch an den Blumen – ein leichter Moderduft. Miles tat es sofort leid, dass er nicht nach Blumen, die gut dufteten, gesucht hatte. Elena sah ihn misstrauisch an. »Miles, wo hast du die Blumen her?«
    Schuldbewusst errötete er. »Von Großvater geborgt. Glaub mir: Niemand wird sie vermissen. Da unten steht ein ganzer Dschungel davon.«
    Elena schüttelte den Kopf. »Du bist unverbesserlich!« Aber sie lächelte.
    »Dann bist du mir nicht böse?«, fragte er nervös. »Ich dachte, du würdest dich mehr darüber freuen als er jetzt.«
    »Ich hoffe nur, dass niemand denkt, ich hätte sie gestohlen.«
    »Wenn jemand etwas sagt, schick ihn zu mir!«, erklärte er großspurig und reckte das Kinn in die Höhe. Elena betrachtete ernst die zarten Blütengebilde. »Was denkst du gerade? Traurige Gedanken?«
    »Also ehrlich! Mein Gesicht ist ja direkt ein Fenster.«
    »Keineswegs. Dein Gesicht ist mehr wie – wie Wasser. Überall Spiegelungen und wechselnde Lichter – ich weiß nie, was da unten in der Tiefe lauert.« Gegen Ende des Satzes senkte er die Stimme, um die Geheimnisse der Tiefe hervorzuheben.
    Elena lächelte, dann seufzte sie tief. »Ich habe gerade gedacht, dass ich nie Blumen auf das Grab meiner Mutter gelegt habe.«
    Miles Miene hellte sich auf bei der Aussicht auf eine Aufgabe. »Würdest du das gern? Wir könnten uns hinten hinausschleichen und einen oder zwei Karren voll laden – das merkt kein Mensch.«
    »Auf keinen Fall!«, sagte sie empört. »Du hast schon genug angestellt!« Sie drehte die Blumen im Licht, das durchs Fenster fiel. Es versilberte die Blüten mit dem kühlen Herbstglanz. »Außerdem weiß ich gar nicht, wo es ist.«
    »Ach, das ist aber komisch. Dein Vater ist so auf deine Mutter fixiert, dass ich gedacht habe, er sei der Pilgertyp. Aber vielleicht will er nicht an ihren Tod denken.«
    »Da hast du recht. Ich habe ihn mal gebeten, mit mir hinzugehen und mir zu zeigen, wo sie liegt; aber es war, als hätte ich mit einer Wand geredet. Du weißt, wie er sein kann.«
    »O ja, wie eine Mauer. Besonders, wenn sie auf jemanden fällt.« Miles hatte eine Theorie, seine Augen blitzten auf. »Vielleicht ist es Schuldgefühl. Vielleicht war sie eine der wenigen Frauen, die im Kindbett gestorben sind – sie ist doch um die Zeit deiner Geburt gestorben, oder?«
    »Er sagte, es sei ein Flugzeugabsturz gewesen.«
    »Ach.«
    »Aber ein andres Mal hat er gesagt, dass sie ertrunken war.«
    Das Blitzen war zu einem regelrechten Strahlen geworden. »Wenn sie mit dem Flieger in einen Fluss gestürzt ist oder so, könnten beide Versionen stimmen. Oder wenn er mit dem Flieger abgeschmiert ist.«
    Elena zitterte. Miles sah es und verfluchte sich wegen seiner Gefühllosigkeit. »Tut mir leid! Das wollte ich nicht – ich bin heute in einer scheußlichen Stimmung. Ich glaube, das liegt an diesem verfluchten Schwarz überall.« Er schlug mit den Ellbogen auf und ab, als sei er ein Rabe. Dann verfiel er in meditatives Schweigen und dachte über die Zeremonien beim Tod nach. Auch Elena schwieg und blickte nachdenklich auf die dunkel gekleidete Menschenmenge, Barrayars Oberschicht, die drei Stockwerke unter ihrem Fenster ins Haus herein und hinaus strömte.
    »Wir könnten es herausfinden«, sagte Miles plötzlich und riss sie aus den Tagträumen.
    »Was?«
    »Wo deine Mutter beerdigt wurde. Wir würden nicht einmal jemanden fragen müssen.«
    »Wie?«
    Er grinste und schwang sich auf die Beine. »Das sage

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