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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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an.«
    »Das habe ich gehört.«
    »Ja, und ich muss mich spätestens um Mitternacht in meiner Unterkunft melden. Dabei hatte ich vor, meine letzte Nacht als freier Mann so richtig einen draufzumachen, aber statt dessen sitze ich hier fest. Meine Mutter, du weißt schon! Aber morgen leisten wir den Aufnahmeeid auf den Kaiser und – bei Gott! – danach lasse ich mich von ihr nicht mehr wie einen kleinen Jungen behandeln.« Er machte eine Pause, um ein Sandwich zu essen. »Denk an mich, wenn ich morgen da draußen vor Tagesanbruch im Regen herumrenne, während du gemütlich hier in deinem …«
    »Das werde ich bestimmt tun«, unterbrach ihn Miles und nahm auch noch einen Schluck.
    »Nur zweimal Urlaub pro Jahr«, fuhr Ivan kauend fort. »Ich könnte geradesogut ein Sträfling sein. Kein Wunder, dass man es ›dienen‹ nennt. ›Sklaverei‹ wäre angemessener.« Ein kräftiger Schluck zum Hinunterspülen. »Aber du kannst völlig frei über deine Zeit verfügen und kannst tun und lassen, was du willst.«
    »Ja, jede Minute«, stimmte Miles ihm zu. Weder der Kaiser noch sonst jemand verlangte nach seinen Diensten … Niemand wollte oder brauchte ihn …
    Wohltuenderweise legte Ivan eine Pause ein, um sich zu stärken. Danach fragte er zögernd: »Dein Vater kommt doch nicht hier rauf, oder?«
    Miles reckte trotzig das Kinn. »Was? Hast du etwa Angst vor ihm?«
    »He, bei dem Mann wird der gesamte Generalsstab zu Pudding, und ich bin nur des Kaisers mickrigster Rekrut! Hast du etwa keine Angst vor ihm?«
    Miles dachte ernsthaft über die Frage nach. »Eigentlich nicht, nein. Nicht so, wie du meinst.«
    Ivan verdrehte ungläubig die Augen nach oben. Dann dachte Miles an die Szene in der Bibliothek.
    »Also vielleicht ist hier nicht der günstigste Platz, wenn du ihm heute aus dem Weg gehen willst.«
    »Ach ja?« Ivan schwenkte den Wein im Becher. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass er mich nicht mag«, sagte er mit finsterer Miene.
    »Ach, er hat nichts gegen dich«, sagte Miles großzügig. »Zumindest, soweit er dich nur am Horizont wahrnimmt. Allerdings war ich schon vierzehn, glaube ich, als ich herausfand, dass Ivan nicht dein Mittelname war.«
    Miles biss sich auf die Lippe. Dieser Idiot Ivan fing morgen seinen lebenslänglichen Dienst in der Kaiserlichen Armee an. Glückspilz Miles ganz bestimmt nicht! Er trank noch einen Schluck Wein und sehnte sich nach Schlaf. Sie aßen die Brote auf, und Ivan machte die zweite Flasche auf.
    Da klopfte jemand gebieterisch zweimal an die Tür. Ivan sprang auf. »Verdammt, das ist er doch nicht, oder?«
    »Ein Offiziersanwärter hat Haltung anzunehmen und zu salutieren, wenn ein höherer Offizier den Raum betritt und sich nicht unter dem Bett zu verstecken«, erklärte Miles.
    »Ich hatte nicht vor, mich unterm Bett zu verkriechen!«, protestierte Ivan. »Nur im Bad.«
    »Die Mühe kannst du dir sparen! Ich garantiere dir, dass ich so unter Beschuss sein werde, dass du dich völlig unbemerkt zurückziehen kannst.« Miles hob die Stimme. »Herein!«
    Es war tatsächlich Graf Vorkosigan. Er fixierte seinen Sohn mit Augen, die so grau und kalt waren wie ein Gletscher an einem sonnenlosen Tag. Ohne Umschweife begann er: »Miles, was hast du getan, dass das Mädchen so geweint …« Da fiel sein Blick auf Ivan, der stramm stand, als sei er ausgestopft. Graf Vorkosigans Stimme kehrte zum normalen barschen Tonfall zurück. »Zum Teufel! Ich hatte gehofft, heute Abend nicht über dich zu stolpern! Ich war sicher, du würdest dich in einer Ecke mit meinem Wein vollaufen lassen.«
    Ivan salutierte nervös. »Sir, Onkel Aral. Hat … äh … hat meine Mutter mit Euch geredet, Sir?«
    »Ja.« Graf Vorkosigan stöhnte. Ivan wurde blass. Miles war klar, dass Ivan den Spott in den Augen seines Vaters nicht bemerkt hatte.
    Miles strich mit dem Finger über die Halsöffnung der leeren Weinflasche. »Ivan hat mir sein Beileid wegen meiner Verletzungen ausgedrückt Sir.« Ivan nickte bekräftigend.
    »Verstehe«, sagte Graf Vorkosigan nur – und Miles hatte das Gefühl, dass dies wirklich stimmte. Die Kälte war wie weggeblasen. Graf Vorkosigan seufzte. »Da habe ich fast fünfzig Jahre Militär und Politik auf dem Buckel – und was bin ich? Ein Kinderschreck, der kleine Jungs dazu bringt, sich gut zu benehmen – wie der Baba Yaga, der nur die bösen Kinder frisst«, klagte er gespielt. Dann breitete er die Arme aus und sagte zynisch: »Buh! Betrachte dich als gezüchtigt und

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