Das Kadett
ich bekomme jetzt eine Gardinenpredigt! Vater behandelt jedes männliche Wesen, das in meine Nähe kommt, sowieso wie einen potentiellen Mädchenschänder. Wahrscheinlich verbietet er mir jetzt auch noch, mit dir zu reden. Oder er schickt mich für immer zurück aufs Land …« Ihre Augen kämpften gegen die Tränenflut. Sie waren an der Tür. »Und die Höhe ist, dass er – dass er mich wegen meiner Mutter belogen hat!«
Elena floh in ihr Schlafzimmer und knallte die Tür zu. Beinahe hätte Miles ein paar Finger der Hand verloren, die er protestierend gehoben hatte. Er lehnte sich an die Tür und rief: »Das weißt du doch gar nicht! Es gibt ganz sicher eine völlig logische Erklärung und die werde ich schon herausbringen.«
»Hau ab!«
Unsicher ging er noch einige Minuten auf dem Gang vor ihrer Tür hin und her. Er hoffte auf eine zweite Chance, aber die Tür blieb kompromisslos geschlossen. Es kam auch kein Wort hindurch. Dann fiel ihm der Wachposten am Ende des Korridors ein, der so höflich war und nicht zu ihm herblickte. Die Sicherheitsleute des Premierministers waren nicht nur die fähigsten, sondern auch die diskretesten Soldaten, die es gab. Leise vor sich hin fluchend watschelte Miles zurück zum Lift.
KAPITEL 4
Miles lief im hinteren Teil des Hauses seiner Mutter in die Arme.
»Hast du deinen Vater irgendwo gesehen, mein Herz?«, fragte Gräfin Vorkosigan.
»Ja« – leider –, »er ging mit Captain Koudelka und dem Sergeant in die Bibliothek.«
»Aha, er will in Ruhe mit den alten Kameraden einen lüpfen«, stellte sie trocken fest. »Das kann ich ihm nicht übelnehmen. Er ist hundemüde. Es war auch ein schrecklicher Tag. Und ich weiß, dass er nicht genug Schlaf bekommen hat.« Sie musterte Miles durchdringend. »Und wie hast du geschlafen?«
Miles hob die Schultern. »Gut.«
»Hm. Ich muss gehen. Ich will ihn erwischen, ehe er mehr als einen Drink hat. Äthanol hat die unglückliche Wirkung, ihn schonungslos offen zu machen. Und gerade ist dieser Schleimer Graf Vordrozda in Begleitung von Admiral Hessman gekommen. Vater bekommt Ärger, wenn die beiden unter eine Decke kriechen.«
»Ich glaube kaum, dass die Ultra-Rechte so viel Unterstützung bekommt. Schließlich stehen alle alten Soldaten fest hinter Vater.«
»Oh, Vordrozda ist keineswegs ein überzeugter Rechter. Er ist nur ungemein ehrgeizig und springt auf jedes Pferd auf, das in seine Richtung läuft. Seit Monaten schmiert er Gregor Honig ums Maul …« Ihre grauen Augen funkelten wütend. »Schmeicheleien, boshafte Anspielungen, versteckte Kritik und viele kleine Nadelstiche in die Selbstzweifel des Jungen – ich habe ihn beobachtet und ich kann ihn nicht ausstehen«, erklärte sie fest.
Miles grinste »Darauf wäre ich nie gekommen! Aber wegen Gregor brauchst du dir doch keine Sorgen zu machen.« Die Angewohnheit seiner Mutter, vom Kaiser zu sprechen, als sei dieser ihr geistig etwas zurückgebliebenes, adoptiertes Kind, amüsierte ihn immer wieder. In gewisser Weise stimmte es, denn der frühere Regent war Gregors persönlicher und politischer Vormund, solange dieser minderjährig war.
Gräfin Vorkosigan verzog das Gesicht. »Vordrozda ist nicht der einzige, der den Jungen ohne mit der Wimper zu zucken auf jedem Gebiet korrumpieren würde, das er in die Krallen bekommt: moralisch, politisch und was es sonst noch gibt. Hauptsache, er kommt einen Zentimeter weiter, zur Hölle mit dem Wohl Barrayars auf lange Sicht – oder Gregor.«
Miles erkannte sofort das Zitat. Es stammt von dem einzigen politischen Orakel seiner Mutter: seinem Vater.
»Ich weiß nicht, warum diese Leute keine Verfassung schreiben. Mündliches Recht – was für eine Art, eine interstellare Macht zu führen.« Diese Meinung stammt aus ihrer Heimat und war rein betanisch.
»Vater ist schon so lang an der Macht«, sagte Miles, »ich glaube, man brauchte ein Gravitationstorpedo, um ihn aus dem Amt zu befördern.«
»Versucht hat man es«, bemerkte Gräfin Vorkosigan. Ihre Gedanken schweiften ab. »Ich wünschte, er würde ernsthaft über den Ruhestand nachdenken. Bis jetzt hatten wir Glück.« Ihr Blick streifte Miles, »Meistens.«
Sie ist auch müde, dachte Miles.
»Diese Politisiererei hört nie auf«, fuhr sie fort und blickte zu Boden. »Nicht mal bei der Beerdigung seines Vaters.« Dann blitzte ein Funken Bosheit in ihren Augen auf. »Mit seiner Verwandtschaft ist es genauso. Solltest du ihn vor mir sehen, sage ihm, dass Lady Vorpatril ihn
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