Das Kadett
und ein Kästchen, das mit einem spaghettiähnlichen Drähtegewirr mit einer halb ausgeschlachteten Armaturenkonsole verbunden war. Oben befand sich ein Kippschalter. Beinahe so faszinierend wie das Kästchen mit dem Kippschalter fand Miles die dunkle, schlanke – und nach betanischem Gesetz sehr illegale – kleine Nadelpistole. Mayhew hielt die geröteten und verquollenen Augen auf die Gestalt im Eingang gerichtet und rieb sich mit der einen Hand, ohne dabei die tödliche Nadelwaffe loszulassen, über die Dreitagebartstoppeln. »Ach ja?«, meinte er wenig begeistert.
Miles’ Aufmerksamkeit galt jetzt der Nadelwaffe. »Wie haben Sie das Ding durch den betanischen Zoll bekommen?«, fragte er voll ehrlicher Hochachtung. »Mir ist es nie gelungen, auch nur eine Steinschleuder vorbei zu schmuggeln.«
Mayhew starrte auf die Waffe in der Hand, als hätte er sie gerade entdeckt – wie eine Warze, die unbemerkt gewachsen war. »Hab’ ich mal in Jackson’s Whole gekauft. Ich habe nie versucht, sie vom Schiff zu bringen, weil ich sicher war, man würde sie mir wegnehmen. Da unten nehmen sie dir alles weg.« Er seufzte.
Miles schwebte in den Raum und ließ sich im Schneidersitz mitten in der Luft nieder. Er hoffte, dass dieses eine freundliche, nicht bedrohliche Stellung für einen Zuhörer war. »Wie sind sie eigentlich in das Dilemma hier hineingeraten?«, fragte er mit einem Nicken, das die Situation, das Schiff und die Gegenstände auf Mayhews Schoß einschloss.
Mayhew zuckte die Achseln. »Verdammtes Pech! Ich hatte immer Pech. Der Unfall mit der RG 88 – es war die Feuchtigkeit von den geplatzten Amphorröhren, die ist in die Dalsäcke eingedrungen. Dadurch sind sie aufgequollen und haben das Schott eingedrückt. So hat alles angefangen. Dem Kerl, der im Hafen für die Ladung verantwortlich war, haben sie nicht mal leicht auf die Finger geklopft. Verdammt noch mal! Es spielte überhaupt keine Rolle, ob ich etwas getrunken hatte oder nicht!« Er schnüffelte und fuhr sich mit dem Ärmel über das gerötete Gesicht.
Miles hatte Angst, der Mann würde gleich in Tränen ausbrechen. Es war sehr beunruhigend, dies bei einem Mann zu sehen, der Miles’ Schätzung nach auf die vierzig zuging. Aber Mayhew nahm einen Schluck aus der Flasche und hielt sie dann in einem Anflug von Höflichkeit Miles entgegen.
Höflich lächelnd nahm Miles sie. Sollte er die Gelegenheit ausnützen und die Flasche ausleeren, damit Mayhew nüchtern wurde? Im freien Fall hatte diese Idee einige Nachteile. Er müsste den Inhalt in einen anderen Behälter umfüllen, wollte er nicht den Rest seines Besuchs damit verbringen, den dicken Tropfen dieses Teufelszeugs auszuweichen. Es war auch nicht leicht, die Sache als Ungeschicklichkeit erscheinen zu lassen. Während er darüber nachdachte, nahm er aus wissenschaftlichen Forschungsgründen einen kleinen Schluck.
Um ein Haar hätte er alles wieder atomisiert herausgeprustet. Das grüne Gebräu war dickflüssig und süß wie Sirup und – an die sechzig Prozent reines Äthanol. Aber woraus bestand der Rest? Es brannte in der Speiseröhre, dass Miles das Gefühl hatte, plötzlich ein lebendes Modell des Verdauungsapparats zu sein, bei dem die verschiedenen Teile wie bunte Lämpchen aufleuchteten. Voll Hochachtung wischte er die Flaschenöffnung mit dem Ärmel ab und gab den Stoff seinem Besitzer zurück. Dieser klemmte sich die Flasche wieder unter den Arm.
»Danke«, japste Miles. Mayhew nickte. Miles räusperte sich, holte Luft und fragte: »Und was haben Sie als nächstes vor? Welche Forderungen stellen Sie?«
»Forderungen?«, wiederholte Mayhew. »Als Nächstes? Weiß nicht! Aber ich lasse es nicht zu, dass dieser Kannibale Calhoun mein Schiff schlachtet, Text gibt’s keinen!« Er wiegte das Kästchen mit dem Kippschalter im Schoß wie eine Madonna das Jesuskind. »Waren Sie jemals ein Roter?«, fragte er plötzlich.
Miles hatte von den uralten politischen Parteien auf der Erde eine eher nebelhafte Vorstellung. »Nein, ich bin ein Vor«, bekannte er, war aber nicht sicher, ob dies die richtige Antwort war. Doch es schien keine Rolle zu spielen. Mayhew fuhr mit seinem Selbstgespräch fort.
»Rot. Die Farbe Rot. Reines Licht. Ich war mal auf dem Sprung zu einem winzigen Loch, das Hespari II hieß. Ein Sprung ist ein Erlebnis, das man mit keiner anderen Erfahrung im Leben vergleichen kann. Wenn man nie auf den Lichtern im eigenen Gehirn dahingeglitten ist – Farben, die niemand beschreiben
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