Das Kadett
Kategorien einzulassen, allerdings auch so viel Betaner, um anderen dieses Vergnügen zu gönnen. Eine kurze Affäre mit einem Mädchen der abartig neugierigen Sorte reichte ihm. Ihre Faszination mit den Besonderheiten seines Körpers führten bei ihm zu größeren Minderwertigkeitsgefühlen als der offenste Abscheu auf Barrayar, wo man gegen jede Art von Behinderung tiefe Vorurteile hegte. Außerdem hatte dieses weibliche Wesen sehr schnell das Interesse an ihm verloren, nachdem es herausgefunden hatte, dass seine Geschlechtsteile enttäuschend normal waren.
Die Affäre hatte für Miles in einer grauenvollen Depression geendet, die sich über mehrere Wochen hin noch bis zu dem Punkt vertiefte, an dem Sergeant Bothari ihm zum letzten Mal das Leben gerettet hatte. Zweimal hatte Miles ihn in stummem Verzweiflungskampf mit dem Messer dabei verwundet. Hysterie hatte ihm ungeahnte Kräfte verliehen, und der Sergeant hatte aus Angst, ihm einen Knochen zu brechen, nicht richtig zugepackt. Schließlich war es dem großen Mann aber doch gelungen, ihn so festzuhalten, dass Miles weinend zusammenbrach und seinen Selbsthass an der blutigen Brust des Sergeants herausschluchzte.
Dann hatte der Mann, der ihn schon auf den Armen umhergetragen hatte, ehe er im Alter von vier Jahren zu laufen gelernt hatte, ihn wieder wie ein Kind ins Bett gebracht. Bothari versorgte seine eigenen Wunden und erwähnte diesen Vorfall nie wieder.
Es war kein gutes Jahr gewesen, in dem Miles fünfzehn war. Jetzt war er entschlossen, es nicht zu wiederholen. Zum stummen Gelöbnis drückte er das Balkongeländer. Aber eigentlich war das Gelöbnis so gegenstandslos wie er selbst und daher nutzlos. Bei diesem trübsinnigen Gedanken schien ihm der ganze Glanz der Beta-Kolonie stumpf und grau.
In der Nähe standen vier Betaner und stritten lautstark. Miles drehte sich etwas, um an Elenas Ellbogen vorbei einen besseren Blick auf die Gruppe zu bekommen. In diesem Augenblick sagte Elena etwas über seine Geistesabwesenheit. Er schüttelte nur den Kopf und gebot ihr zu schweigen. Sie gehorchte, sah ihn aber neugierig an.
»Verdammt!«, sagte ein kräftiger Mann in einem grünen Sarong. »Es ist mir scheißegal, wie Sie das machen, aber ich will diesen Verrückten aus meinem Schiff heraushaben. Können Sie nicht stürmen?«
Die Frau in der Gruppe trug die Uniform der Betanischen Sicherheitstruppe. Sie schüttelte den Kopf. »Hören Sie, Calhoun, warum soll ich das Leben meiner Leute für ein Schiff riskieren, das praktisch Schrott ist? Schließlich hält er keine Geiseln fest.«
»Ich habe hier eine Mannschaft vor Ort, die auf die Verschrottung wartet, und anderthalbfachen Lohn für Überstunden kostet. Der Kerl ist jetzt schon drei Tage dort oben – irgendwann muss er doch mal schlafen oder pinkeln«, schimpfte der Zivilist.
»O nein, ohne mich!«, protestierte der Pilot. »Außerdem will er mit mir nicht reden. Das hat er klipp und klar gesagt.«
»Sie sind dieses Jahr im Aufsichtsrat und haben doch eine gewisse Macht. Sie könnten ihm drohen, seine Fluglizenz einzuziehen oder sonst etwas.«
»Wenn er so total übergeschnappt ist, wie Sie behaupten, wäre ein Sturmkommando bestimmt der Auslöser, dass bei ihm die Sicherung durchbrennt und er alles in die Luft jagt. Wir müssen warten, bis er aufgibt.« Die Sicherheitsbeamtin wandte sich an einen Mann, der die taubengrau-schwarze Uniform einer der größeren Raumschifffahrtslinien trug. Die silbernen Koteletten entsprachen farblich den dreifachen Silberkreisen der neurologischen Implantation eines Piloten auf Stirn und Schläfen. »Oder wir müssen ihn überreden, aufzugeben. Sie kennen ihn. Er ist doch Mitglied Ihrer Gewerkschaft. Vielleicht können Sie etwas bei ihm erreichen.«
»Arde Mayhew ist vielleicht noch in der Bruderschaft aber er hat seit zwei Jahren seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlt. Seine Lizenz ist sowieso gefährdet. Offen gestanden glaube ich, dass diese Episode das Fass zum Überlaufen bringt. Bei dem ganzen Brimborium hier geht es doch darum, dass er kein Pilot mehr sein wird, sobald das letzte RG-Schiff verschrottet ist.« Er wies mit einem Kopfnicken auf den Verschrotter. »Eine neue Implantation wurde von medizinischer Seite abgelehnt. Es würde ihm nichts nützen, selbst wenn er das Geld hätte. Und ich weiß verdammt genau dass er es nicht hat. Vorige Woche wollte er sich von mir das Geld für die Miete leihen. Zumindest sagte er, dass es für die Miete sei. Ich glaube, eher
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