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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Es geschah am Ende der Zeit der Isolation, vor fast hundert Jahren. Kaiser Dorca Vorbarra zentralisierte die Regierung und brach die Macht der Grafen als selbstständige Regierungsgewalten. Es kam zu einem Bürgerkrieg. Als erstes schaffte der Kaiser die Privatarmeen ab, auf der Erde Gefolgschaften genannt. Jeder Graf durfte nur noch zwanzig Getreue haben – kaum eine Leibwache.
    Lord Vorloupulous lag mit einigen Nachbarn in Fehde. Dazu reichte die erlaubte Zahl von Kriegern nicht aus. Daher stellte er zweitausend ›Köche‹ ein. Diese schickte er aus, damit sie seine Feinde tranchierten. Die Bewaffnung, mit der er sie ausstattete, war genial: Fleischermesser statt Schwertern und so weiter. Zu dieser Zeit sahen sich viele arbeitslos gewordene Veteranen nach einer neuen Beschäftigung um. Sie waren nicht zu stolz, um einen Versuch zu wagen.« Miles Augen funkelten vor Begeisterung. »Der Kaiser sah das natürlich ganz anders. Dorca marschierte mit seiner regulären Armee los – inzwischen die einzige auf Barrayar – und nahm Vorloupulous wegen Verrats fest. Damals stand darauf – heute auch noch – Pranger und Tod durch Verhungern. So wurde der Mann mit den zweitausend Köchen verurteilt, auf dem Großen Platz von Vorbarra Sultana öffentlich zu verhungern. Und dann sagt man immer, Dorca Vorbarra hatte keinen Sinn für Humor …«
    Bothari lächelte und Baz kicherte. Hathaways Lachen klang hohler. »Entzückend«, murmelte er.
    »Aber die Geschichte endete gut«, fuhr Miles fort. Hathaways Gesicht heiterte sich auf. »Die Cetagander griffen uns in dieser Zeit an, und Lord Vorloupulous wurde freigelassen.«
    »Von den Cetagandern? Da hat er aber Glück gehabt«, meinte Hathaway.
    »Nein, von Kaiser Dorca, damit er gegen die Cetagander kämpfe. Versteh mich recht: Er wurde nicht begnadigt, sondern das Urteil nur aufgeschoben. Als der Erste Cetagandische Krieg vorüber war, erwartete man, dass er sich wieder stellte, aber er starb in der Schlacht und hatte so schließlich doch noch einen ehrenvollen Tod.«
    »Und das soll ein gutes Ende sein?« Hathaway schüttelte den Kopf. »Na, von mir aus.«
    Baz war wieder still geworden. Miles lächelte ihn probeweise an. Verlegen erwiderte er das Lächeln. Dabei sah er viel jünger aus als vorher. Miles fällte eine Entscheidung.
    »Mr. Jesek, ich mache Ihnen einen Vorschlag, den Sie annehmen oder ablehnen können. Das Schiff, das ich vorhin erwähnte, ist die RG 132. Der Sprungpilot heißt Arde Mayhew. Wenn Sie die nächsten paar Tage verschwinden können – ich meine richtig untertauchen – und sich mit ihm danach auf dem Silica Weltraumhafen in Verbindung setzen, wird er dafür sorgen, dass Sie eine Koje auf seinem Schiff bekommen und mit ihm wegfliegen können.«
    »Warum wollen Sie mir überhaupt helfen, Mr … äh … Lord …«
    »Mr. Naismith reicht für unsere Zwecke.« Miles zuckte die Achseln. »Ich habe nun mal eine Schwäche, dafür zu sorgen, dass Menschen eine zweite Chance bekommen. Dafür hat man in unserer Heimat nicht viel übrig.«
    »Heimat«, wiederholten Baz’ Augen stumm. »Also – es war schön, den Akzent wieder einmal zu hören. Vielleicht komme ich auf Ihr Angebot zurück, vielleicht auch nicht.« Miles nickte und nahm die Flasche wieder an sich. Dann winkte er Bothari und ging weg. Sie stiegen zurück durch die Müllberge. Als Miles sich umschaute, sah er, wie Jesek schemengleich einem anderen Ausgang zustrebte.
    Dann sah Miles das finstere Gesicht des Sergeants und lächelte verlegen. Er stieß mit dem Fuß die Schalttafel eines verschrotteten Industrieroboters weg, der wie ein Skelett quer über anderem Müll lag. »Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich ihn angezeigt hätte?«, fragte er leise. »Du bist durch und durch Soldat. Ich nehme an, du hättest es getan. Mein Vater auch, nehme ich an – er ist so überkorrekt, was das Gesetz betrifft, ganz gleich, wie grauenvoll die Konsequenzen sind.«
    »Nicht immer, Mylord«, widersprach Bothari und verfiel wieder in sein natürliches Schweigen.
    »Miles«, flüsterte Elena. Sie hatte auf dem nächtlichen Weg vom Schlafzimmer, das sie mit Mrs. Naismith teilte, zum Bad einen Umweg gemacht. »Gehst du überhaupt nicht ins Bett? Es ist schon fast Morgen.«
    »Bin nicht schläfrig.« Miles gab gerade eine neue Anfrage in die Komkonsole seiner Großmutter ein. Es stimmte. Er fühlte sich frisch und unnatürlich wach. Das war auch gut so, denn er hatte sich in ein ungemein kompliziertes Handelsnetz

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