Das Kadett
einen Schluck. Nach einiger Zeit sagte er leise: »Du hast mich noch nie Krieger genannt.«
»Ich musste deine Aufmerksamkeit erregen. Entschuldige bitte.« Schweigen und noch ein Schluck.
»Es ist die richtige Bezeichnung.«
»Warum hast du versucht, ihn umzubringen? Du weißt doch, wie sehr wir Techniker brauchen.«
Eine lange Pause.
»Er ist nicht der Richtige. Nicht für sie. Deserteur …«
»Er wollte sie nicht vergewaltigen.« Das war eine Feststellung.
»Nein, ich schätze nicht. Aber man weiß nie.«
Miles sah sich in dem schummrigen Kristallraum mit den blitzenden Sternen um. Ein idealer Ort zum Schmusen und noch mehr. Aber diese weißen Hände waren jetzt unten in der Krankenstation tätig und legten wahrscheinlich gerade kalte Umschläge auf Baz’ Stirn, während er hier saß und sich mit dem hässlichsten Mann des ganzen Systems betrank. Was für eine Verschwendung! Die Flasche wanderte wieder hin und zurück.
»Man weiß nie«, wiederholte Bothari. »Und für sie muss alles richtig und ordentlich sein. Du sorgst doch dafür, Mylord? Verstehst du mich?«
»Selbstverständlich. Aber bitte erwürge meinen Ingenieur nicht. Ich brauche ihn. Alles klar?«
»Diese verdammten Techniker. Immer verhätschelt.«
Miles ging auf diese Bemerkung nicht ein. Das war eine alte Klage bei Soldaten. Bothari hatte für ihn irgendwie immer zur Generation seines Großvaters gehört, obwohl er jünger als Miles’ Vater war. Miles entspannte sich, da Bothari nun wieder seine normale – naja, übliche – Verfassung gefunden hatte. Der Sergeant rutschte auf den Teppich und lehnte sich mit den Schultern an die Liege.
»Mylord«, fuhr er nach einer Weile fort, »du sorgst doch dafür, dass sie ordentlich heiratet, wenn ich fallen sollte. Aussteuer – und ein Offizier soll es sein, ein fähiger Offizier – und ein richtiger Hochzeitslader, der alle Vorbereitungen trifft …«
Der uralte Traum, dachte Miles leicht benommen. »Ich bin durch deinen Dienst ihr Lehnsherr«, erklärte er. »Es wäre meine Pflicht.« Wenn ich doch nur diese Pflicht bei meinem eigenen Traum erfüllen könnte!
»Manche legen auf Pflichterfüllung nicht mehr viel Wert«, meinte Bothari. »Aber ein Vorkosigan … ein Vorkosigan versagt nie!«
»Verdammt richtig«, murmelte Miles.
»Hm«, sagte Bothari und rutschte noch ein Stückchen weiter nach unten.
Nach langem Schweigen sagte Bothari schließlich. »Wenn ich getötet würde, dann würdest du mich doch nicht da draußen lassen, nicht wahr, Mylord?«
»Was?« Miles versuchte gerade die Lichtpunkte zu neuen Sternbildern zusammenzusetzen. Gerade hatte er einen Kavalleristen im Kopf gezeichnet.
»Manchmal lassen sie die Leichen einfach im All. Kalt wie die Hölle … Gott kann sie dort draußen nicht finden. Niemand kann das.«
Miles blinzelte. Es war ihm neu, dass der Sergeant eine geheime theologische Ader hatte. »Was soll den das alles plötzlich? Von wegen getötet werden? Du wirst nicht …«
»Der Graf, dein Vater, hat’s mir versprochen«, unterbrach ihn Bothari. »Ich werde zu Füßen deiner Mutter in Vorkosigan Surleau begraben. Das hat er versprochen. Hat er dir das nicht gesagt?«
»Äh … wir haben dieses Thema nie berührt.«
»Er gab sein Wort als Vorkosigan. Gib mir auch dein Wort!«
»Na schön!« Miles blickte durch die klare Kuppel hinaus. Manche Menschen sahen Sterne und manche die Lücken dazwischen. Kälte … »Glaubst du, dass du in den Himmel kommst, Sergeant?«
»Als Hund meiner Herrin. Blut wäscht die Sünde ab. Sie hat mir geschworen …« Er brach ab. Sein Blick blieb auf die Tiefe des Alls geheftet. Dann entglitt die Flasche seinen Fingern, und er schnarchte. Miles saß mit untergeschlagenen Beinen da und wachte über ihn: Eine kleine Gestalt in Unterwäsche gegen die schwarze Unendlichkeit – und sehr weit von zu Hause entfernt.
Zum Glück erholte Baz sich schnell wieder. Am nächsten Tag war er wieder bei der Arbeit. Er trug nur eine Halskrause, um die malträtierten Halswirbel zu entlasten. Sein Benehmen Elena gegenüber war untadelig, wenn Miles in der Nähe war, so dass dieser keinen Grund zur Eifersucht hatte. Allerdings war natürlich auch Bothari immer da, wo Miles sich aufhielt. Vielleicht war das der wahre Grund.
Miles verwendete alles, was sie hatten, darauf, die Triumph wieder flugtüchtig zu machen. Nach außen hin, um gegen die Pelier zu kämpfen. Insgeheim hatte er sich ausgerechnet, dass das Schiff das einzige war, in das
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