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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Sie versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein kehliges Stöhnen heraus. Miles wusste, dass ihre Schmerznerven blockiert waren. Trotzdem drehte er sich um und berührte verstohlen seine Lippen. Dann schluckte er hart.
    »Ich glaube, wir brauchen nicht hierzubleiben. Wir können wirklich nicht helfen.« Er musterte Elena von der Seite. Sie war blass, aber gefasst. »Wie lang willst du noch zusehen?«, fragte er leise. Stumm fuhr er fort: Mein Gott, das hättest du sein können, Elena …
    »Bis sie fertig sind«, flüsterte sie zurück. »Bis ich beim Zusehen ihre Schmerzen nicht mehr spüre. Bis ich abgehärtet bin – wie ein echter Soldat – wie mein Vater. Wenn ich es bei einer Freundin abblocken kann, dann doch erst recht bei einem Feind …«
    Miles schüttelte den Kopf. »Können wir auf dem Korridor weiterreden?« Sie runzelte die Stirn, folgte ihm aber ohne weiteren Widerspruch. Auf dem Korridor lehnte Miles sich an die Wand und würgte und schluckte.
    »Soll ich eine Schüssel holen?«
    »Nein. Es geht mir gleich wieder gut.« Ich hoffe … Die Minute verging, ohne dass er sich danebenbenommen hatte. »Frauen sollten an einem Kampfeinsatz nicht teilnehmen«, sagte er schließlich.
    »Warum nicht?«, sagte Elena. »Warum ist das …« – sie deutete mit einem Nicken zum Lazarett hin – »für eine Frau schlimmer als für einen Mann?«
    »Ich weiß nicht. Dein Vater sagte einmal: Wenn eine Frau die Uniform anzieht, tut sie das freiwillig – und man sollte nie zögern, auf sie zu schießen. So sieht für ihn Gleichberechtigung aus. Aber alle meine Instinkte drängen mich, meinen Mantel über ihre Rüstung zu werfen, nicht ihr den Kopf wegzupusten. Das geht mir gegen den Strich.«
    »Ehre kommt mit dem Risiko«, erwiderte Elena. »Versagst du jemand das Risiko, versagst du ihm auch die Ehre. Ich dachte immer, du seist das einzige barrayaranische männliche Wesen, das einer Frau zugesteht, eine Ehre zu haben, die nicht zwischen ihren Beinen geparkt ist.«
    Miles wurde aufgeregt. »Die Ehre eines Soldaten besteht darin, dass er seine patriotische Pflicht erfüllt und …«
    »Oder sie die ihre.«
    »Oder sie ihre – meinetwegen, aber das nützt doch dem Kaiser nichts! Wir sind hier wegen Tav Calhouns zehn Prozent Gewinnspanne. Jedenfalls waren wir es …«
    Dann riss er sich zusammen und setzte seine Inspektionstour fort. Plötzlich blieb er stehen. »Was du da vorhin gesagt hast – wegen Abhärtung …«
    »Ja?«
    »Meine Mutter war auch eine echte Soldatin. Ich glaube aber, dass sie immer die Schmerzen anderer fühlte – auch beim Feind.«
    Danach schwiegen beide sehr lange.
    Die Offiziersbesprechung mit der Planung im Fall eines Gegenangriffs war nicht so schlimm, wie Miles befürchtet hatte. Sie hielten sie im Konferenzraum der Geschäftsleitung der Veredlungsanlage ab. Durch die Plexifenster konnte man die gesamte Anlage überschauen. Es war ein atemberaubender Anblick. Miles setzte sich mürrisch mit dem Rücken zum Fenster.
    Schnell schlüpfte er in die Rolle des Schiedsrichters. Er steuerte den Ideenfluss und verbarg dabei geschickt seinen eigenen Mangel an harten Tatsacheninformationen. Er faltete die Arme und sagte ›Hm‹ oder ›Naja‹, nur ganz selten ›Gott behüte uns‹, weil Elena dann immer fast erstickte. Thorne, Auson, Daum, Jesek und die drei befreiten felicianischen jungen Offiziere, deren Gehirn noch nicht ausgelaugt war, erledigten den Rest. Allerdings musste Miles sie behutsam von Ideen abbringen, die sich gerade bei den Peliern als nicht durchführbar erwiesen hatten.
    »Major Daum, es würde sehr viel helfen, wenn Sie mit Ihrer Kommandozentrale Verbindung aufnehmen könnten.« Damit schloss Miles die Sitzung. Er dachte: Mein Gott, wie kann man ein ganzes Land verschlampen? »Vielleicht könnte – sozusagen als letzte Möglichkeit – ein Freiwilliger mit einem Gleiter zum Planeten hinabfliegen und Bescheid sagen, dass wir hier sind.«
    »Wir bemühen uns weiter, Sir«, versprach Daum.
    Irgendeine enthusiastische Seele hatte für Miles im luxuriösesten Teil der Veredlungsanlage eine Unterkunft gefunden. Wie der elegante Konferenzraum waren diese Zimmer ebenfalls für die Geschäftsleitung reserviert gewesen. Unglücklicherweise hatte seit Wochen niemand mehr für Ordnung und Sauberkeit gesorgt. Um ins Schlafzimmer zu kommen, musste Miles über persönliche Sachen des letzten Peliers steigen. Darunter lag noch die Schicht des Felicianers, den der Pelier vertrieben hatte.

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