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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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jetzt als Eröffnung des Gesprächs eine der Weinkennerbemerkungen seines Großvaters benutzt; aber ihm fiel nur eine ein: ›dünn wie Pisse‹. Die klang nicht unbedingt einladend. Er wischte den Rand des Plastikbechers am Ärmel ab und schob ihn Tung hinüber. »Wie Sie sehen: Kein Gift, keine Drogen.«
    Tung verschränkte die Arme. »Der älteste Trick der Welt: Man nimmt ein Gegenmittel, ehe man hereinkommt.«
    »Hm«, meinte Miles. »Ja, das hätte ich tun können.« Er schüttete ein Paket gummiartiger Proteinwürfel aus. Dann beäugte er sie ebenso misstrauisch wie Tung. »Aha – Fleisch.« Er warf einen Würfel in den Mund und kaute verbissen. »Na los, fragen Sie mich schon etwas.«
    Tung kämpfte kurz mit sich. »Meine Truppen. Wie geht es ihnen?«, stieß er hervor.
    Miles gab ihm eine vollständige Aufzählung, mit Namen aller Toten und Verwundeten und deren medizinischer Verfassung. »Der Rest ist hinter Schloss und Riegel, wie Sie. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen die Örtlichkeit nicht genauer beschreibe – aber vielleicht können Sie bei dem Deckenlicht doch mehr ausrichten als ich denke.«
    Tung atmete erleichtert auf und nahm ganz in Gedanken einen Protein-Würfel.
    »Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist«, entschuldigte sich Miles. »Ich verstehe, dass Sie der Sieg Ihres Gegners wurmt. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten sauber und taktischer vorgehen können – wie bei Komarr – aber ich musste mit der Situation vorliebnehmen, die ich vorfand.«
    »Wer würde das nicht?«, schnaubte Tung. »Für wen halten Sie sich eigentlich? Etwa für Lord Vorkosigan?«
    Miles verschluckte sich am Wein. Bothari klopfte ihm auf den Rücken und warf dabei Tung finstere Blicke zu. Als Miles wieder Luft bekam, hatte er auch sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden. Er wischte sich die Lippen ab.
    »Ach, Sie meinen Admiral Aral Vorkosigan aus Barrayar? Sie haben mich etwas verwirrt. Er ist jetzt Graf Vorkosigan.«
    »Ach ja? Dann lebt er also noch«, bemerkte Tung interessiert.
    »Allerdings.«
    »Haben Sie sein Buch über Komarr gelesen?«
    »Buch? Ach so, den Komarr-Bericht. Ja, ich hörte, dass mehrere außerplanetarische Militärakademien – ich meine außerhalb Barrayars – ihn als Lektüre aufgenommen haben.«
    »Ich habe es elfmal gelesen«, erklärte Tung stolz. »Die prägnantesten Militärmemoiren, die ich je gesehen habe. Die komplizierteste Strategie ist so logisch wie eine Schalttafel dargestellt: Politik, Wirtschaft, alles. Ich schwöre, der Verstand dieses Mannes muss in fünf Dimensionen arbeiten. Trotzdem haben die meisten Leute nie davon gehört. Es sollte Pflichtlektüre sein – ich prüfe alle meine Offizierskandidaten darüber.«
    »Nun, ich hörte, wie er sagte, dass Krieg das Versagen der Politik sei. Ich nehme an, das gehörte immer zu seinem strategischen Denken.«
    »Sicher, wenn Sie zu dieser Ebene kommen …« Tung brach ab. »Hörte? Ich dachte, er gäbe keine Interviews. Wissen Sie zufällig noch, wann und wo sie es gelesen haben? Gibt es davon Kopien?«
    »Naja …« Miles ging auf sehr dünnem Seil. »Es war in einem persönlichen Gespräch.«
    »Sie haben mit ihm gesprochen?«
    Miles hatte das ungemütliche Gefühl, plötzlich in Tungs Augen einen halben Meter gewachsen zu sein. »Ja, stimmt«, gab er vorsichtig zu.
    »Wissen Sie, ob er etwas Ähnliches wie den Komarr-Bericht auch über Escobar geschrieben hat?«, fragte Tung aufgeregt. »Ich finde, es gehört unbedingt ein Ergänzungsband her: Verteidigungsstrategie neben Angriff. Das wäre die andere Hälfte seiner Gedanken. Wie Sri Simkas zwei Bände über Walshea und Skyal V.«
    Jetzt konnte Miles Tung einordnen: Ein besessener Militärhistoriker! Diesen Typ kannte er sehr gut. Er unterdrückte ein Grinsen.
    »Ich glaube nicht. Escobar war schließlich eine Niederlage. Darüber spricht er nicht gern – habe ich gehört. Vielleicht ein Hauch von Eitelkeit.«
    »Hm«, stimmte ihm Tung zu. »Aber es ist ein erstaunliches Buch. Alles, was damals total chaotisch aussah, schildert er wie ein komplettes Skelett. Natürlich erscheint immer alles chaotisch, wenn man verliert.«
    Jetzt spitzte Miles die Ohren. »Damals? Waren Sie in Komarr?«
    »Ja, ich war ein blutjunger Lieutenant in der Selby-Flotte, die Komarr anheuerte – was für ein Erlebnis! Schon dreiundzwanzig Jahre her. Es war, als ob jede natürliche Schwachstelle in der Söldner-Dienstherr Beziehung platzte – und das, ehe der erste Schuss gefallen war.

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