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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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eingesperrt gewesen sein soll«, sage ich.
    »Was weiß ich. Vielleicht war der Österreicher ein Deserteur«, sagt das Känguru.
    »Aha«, sage ich.
    »Oder ein Doppelagent«, sagt das Känguru.
    »Wat nu? En Desateur oda ’n Doppelagent?«, fragt Herta.
    »Ein Doppelagent«, sagt das Känguru beherrscht.
    »Aber du hast doch gesagt, ein Kriegsgefangenenlager nach dem Zweiten Weltkrieg«, sage ich. »Warum sollten da ein Engländer und ein Franzose in einem Lager eingesperrt sein? Oder hat in deinem Witz Hitler den Krieg gewonnen?«
    »Okay. Vor Ende des Zweiten Weltkrieges.«
    »Wird det ’n Nazi-Witz, oder wat?«, fragt Herta. »Will ick nich hörn.«
    »Na gut. Nach dem Zweiten Weltkrieg …«
    »Aber …«, wende ich ein.
    »Der Engländer und der Franzose waren auch Doppelagenten«, ruft das Känguru. »Zufrieden?«
    »Und der Österreicha?«, fragt Herta.
    »Tripelagent.«
    »Okay«, sage ich.
    »Jedenfalls hatten die total Hunger«, sagt das Känguru.
    »Wer?«, fragt Herta.
    »Na, der Österreicher, der Franzose und der Amerikaner«, ruft das Känguru.
    »Engländer«, sage ich.
    »Ja!«, schreit das Känguru fast hysterisch. »Jedenfalls hatte der Franzose eine Uhr …«
    »Wat war dit für ’ne Uhr?«, fragt Herta.
    »Hä?«
    »Mit Batterie oder zum Uffziehn?«
    »Arrghghg! Warum willst du das wissen?«
    »Na, falls dit wichtich is für den Witz.«
    »Es ist nicht witzi… wichtig«, sagt das Känguru.
    »Woher hatte er die Uhr?«, frage ich.
    »Von seiner Oma, Mann! Von seiner Oma.«
    »Denn war se bestimmt zum Uffziehn«, sagt Herta.
    »Bestimmt«, sagt das Känguru.
    »Von der Oma mütterlicherseits?«, frage ich.
    Das Känguru blickt mich strafend an und deutet mit seinem Zeigefinger auf meine Nase.
    »Und?«, fragt Herta.
    »Ja. Mütterlicherseits.«
    »War die wertvoll?«, frage ich.
    »Wisst ihr was?«, sagt das Känguru. »Vergesst die Uhr. Es gibt keine Uhr.«
    »Keine Uhr«, sage ich nickend.
    »Keine Uhr«, sagt das Känguru.
    »Keene Uhr«, sagt Herta.
    Das Känguru atmet tief durch.
    »Jedenfalls kamen der Österreicher, der Franzose und der Am… Engländer, weil sie so Hunger hatten, auf die Idee, herumzulaufen und …«
    »Was soll denn das für ein Kriegsgefangenenlager gewesen sein, wo man einfach so herumlaufen durfte?«, frage ich.
    »Es war halt schon eine Weile nach Ende des Krieges.«
    »Aba Doppelagenten? Tripelagenten? Die lässt man doch nich einfach so frei rumloofen«, sagt Herta.
    »Ach. Leckt mich.«
    »Wat denn? Man wird doch wohl nachfragn dürfn«, sagt Herta.
    »Jetzt erzähl den Witz zu Ende«, sage ich.
    »Nee.«
    »Wieso nicht?«, frage ich.
    »Ist nicht mehr lustig.«
    »Ick kenn ’nen lustijen Witz«, sagt Herta. »Treffen sich ’n Österreicha, ’n Englända und’n Franzose nach dem Zweeten Weltkrieg in ’nem Kriegsgefangenenlager. Kommt ’n Deutscher hinzu und sacht: ›Wat sollen dit sein? ’N schlechter Witz?‹«
    Ich pruste los vor Lachen.
    »Voll der gute Witz!«, rufe ich.
    »Ach, haltet die Klappe«, sagt das Känguru.

Als ich nach Hause komme, steht das Känguru vor unserer Wohnungstür und durchstöbert mit einem Besenstiel wieder den Müll des Pinguins.
    »Was genau versuchst du da eigentlich zu finden?«, frage ich.
    »Diese Antagonisten-Geschichte ließ mir keine Ruhe«, sagt das Känguru. »Ich hab lange drüber nachgedacht. Ich glaube, dein Lektor hat tatsächlich recht.«
    »Inwiefern hat er recht?«, frage ich.
    »Der Pinguin ist wirklich mein Gegenspieler«, sagt das Känguru.
    »Wie bitte?«
    »Das ergibt so viel Sinn! Kosmisch gesehen.«
    »Kosmisch gesehen?«, frage ich. »Du meinst das kosmische Gleichgewicht, oder wie?«
    »Genau das«, sagt das Känguru.
    »Hast du zu viele Glückskekse gegessen?«, frage ich.
    »Ich habe doch in unserem Innenhof dieses falsche Zitat hingesprüht …«, sagt das Känguru.
    »›Ein Experte ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.‹ Peter Hartz?«, frage ich.
    »Genau. Und ich habe den Pinguin in flagranti dabei erwischt, wie er mein Graffito mit weißer Farbe ausgelöscht hat.«
    »Skandalös!«, sage ich.
    »Er ist ein Feind der Kunst!«, sagt das Känguru. »Und er ist wirklich in so vielem mein Gegenstück.«
    »So?«
    »Na, zum Beispiel ist der Pinguin sehr schweigsam und ich … äh … nicht. Der Pinguin hat einen festen Job und ich nicht. Der Pinguin steht früh auf …«
    »… und du nicht. Ja, ja. Na und?«
    »Was ist mein Lieblingsfilm?«,

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