Das Känguru-Manifest
fragt das Känguru.
» Banana Joe «, sage ich.
»Und als ich den letztens auf voller Lautstärke hab laufen lassen, mit welchem Film hat der Pinguin auf voller Lautstärke dagegengehalten?«
»Das war … äh, äh … Grüne Tomaten «, sage ich.
» Grüne Tomaten! «, ruft das Känguru triumphierend. »Und wenn ich Nirvana aufdrehe, was dreht dann der Pinguin auf?«
»Scooter«, sage ich.
»Es geht noch weiter«, sagt das Känguru und zieht ein BWL-Lehrbuch aus seinem Beutel.
»Flexibility and Security …«, lese ich laut. »Und? Ich kapier’s nicht.«
»Das ist die Antithese zu meinem unveröffentlichten Hauptwerk«, sagt das Känguru.
»Opportunismus und Repression«, murmle ich.
»Und natürlich ist es schon längst veröffentlicht«, sagt das Känguru. »Und jetzt rate mal, bei wem …«
Ich werfe einen Blick auf den Buchrücken.
»Penguin Books«, sage ich.
»Penguin Books!«, sagt das Känguru nickend.
Ich bin sprachlos.
»Aber jetzt kommt der Knüller«, sagt das Känguru, pickt einen stinkenden, halb zerrissenen, hautartigen Fetzen mit dem Besenstiel auf und hält ihn mir unter die Nase.
»Hast du dich nicht auch schon über diese Fetzen in seinem Müll gewundert?«
»Nein«, sage ich.
»Weißt du, was das ist?«
»Ja.«
»Was?«
»Eklig.«
»In dieser Haut befand sich das Gegenteil von Schnapspralinen«, sagt das Känguru.
Mir fällt die Kinnlade runter.
»Teewurst!«, rufe ich.
»Ich würde behaupten, hiermit schlüssig bewiesen zu haben, dass es sich beim Pinguin tatsächlich um meinen Widersacher, meinen kosmischen Gegner, meinen Antagonisten handelt«, sagt das Känguru.
Ich nicke.
»Ich wollte es ja nicht glauben«, sage ich. »Aber wenn man dann auf einen Schlag mit den harten Fakten konfrontiert wird …«
»Damit ist aber auch klar, dass unser Weltbild deckungsgleich ist«, sagt das Känguru. »Es ist dieselbe Fotografie. Nur hat der Pinguin eben das Negativ und ich das Positiv vor Augen.«
»Oder umgekehrt«, sage ich.
»Oder umgekehrt«, sagt das Känguru. »Die Denkmuster des Pinguins sind also kontradiktorisch, quasi invers, schlicht gesagt entgegengesetzt zu den meinen.«
»Der Pinguin macht also in jeder gegebenen Situation das Gegenteil von dem, was du machen würdest«, sage ich nickend.
»Genau. Er weckt mich morgens auf, und ich lasse ihn abends nicht schlafen.«
»Er schiebt die Müllbeutel vor deine Tür, und du schiebst sie vor seine.«
»Ja, sicher. Und größer gedacht: Da es sich bei mir um einen lokal protestierenden Kommunisten handelt, ist der Pinguin natürlich ein global agierender Kapitalist!«
»Ist echt ein Ding«, sage ich.
»Wahnsinn, was?«, fragt das Känguru.
»Ich frage mich, wie ich den Pinguin dazu bringen könnte, eine unpünktliche, vorlaute Quasselstrippe zu werden.«
Jörg Dwigs und seine Nationalkonservative Partei für Sicherheit und Verantwortung haben zum Aufmarsch gerufen, und das Känguru hat mich trotz heftigster Kopfschmerzen meinerseits zur Gegendemo geschleift.
»Es geht auch um deine Zukunft, mein lieber Jugendlicher mit Migränehintergrund«, hat es gesagt. Jetzt stehen wir in einer gespannten Menschenmenge und warten auf Dwigs’ großen Auftritt. Hinter dem Känguru hat sich, in Formation, eine Abordnung des Boxclubs aufgestellt. Neben uns stehen zwei lustige Türken, die Dwigs’ Ausfälle gegen unproduk-tive Ausländer recht locker genommen und auf ihr Transparent gemalt haben: »Wir verkaufen nicht nur Obst! Auch Döner!«
Das Känguru stellt mir die beiden Türken vor. Es deutet auf den Jüngeren. »Das ist Friedrich-Wilhelm«, sagt es.
»Unsere Eltern haben es ein bisschen übertrieben mit dem Integrationswillen«, sagt Friedrich-Wilhelm.
»Mit dem Integrationswilhelm«, scherzt das Känguru. Keiner lacht.
»Nun ja«, sagt es. »Und der große Bruder hier …«
»Ich heiße Otto-Von«, sagt der große Bruder.
»Witzig«, sage ich.
»Das ist deine Sicht der Dinge«, sagt Otto-Von.
Dwigs lässt sich Zeit.
»Sag mal, was wollen die Deutschen eigentlich?«, fragt mich Friedrich-Wilhelm. »Erst haben sie sich ewig beschwert, wir würden ihnen die Arbeitsplätze klauen, und jetzt beschweren sie sich plötzlich, wir würden nicht arbeiten. Das ist doch paradox. Fast könnte man meinen, es geht ihnen gar nicht darum, was wir tun, sondern wer wir sind. Aber das wäre ja rassistisch …«
»Wenn das deutsche Volk nur aus den tumben Idioten bestünde, die Angst vor einer Überfremdung und dem Aussterben
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