Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
unterbricht er mich.
    »Diese importierten Termini und Anglizismen demolieren die germanische Diktion und deformieren signifikant die Syntax«, sagt der mit den Haaren.
    »Ganz genau!«, sagt der Kleine. »Was er gesagt hat … Und jetzt übersetzt ihr dieses dreckige Fremdwort in ein anständiges Deutsch.«
    »Okay. Von mir aus«, sage ich.
    »Und?«, fragt der Kleine nach einer Pause.
    »Was?«, frage ich.
    »Was bedeutet es?«
    »Es?«, frage ich etwas verängstigt. »Das ist ein Personalpronomen.«
    Er läuft rot an.
    »Ein gutes deutsches Personalpronomen«, ergänzt das Känguru.
    »Du sollst es übersetzen, Kerl!«, ruft der Kleine.
    »Ach so. Ein Fürwort. Ein persönliches Fürwort«, sage ich.
    »Nein, das Fremdwort von vorhin«, ruft der Kleine. »Integrativbewerbung.«
    »Initiativbewerbung«, sage ich.
    »Nein! Sag es auf Deutsch!«, ruft er.
    »Ach so. Von mir aus.«
    »Na dann sag es endlich!«, schreit er. »Was bedeutet es?«
    »Von ihm aus!«, sagt der mit den Haaren beschwichtigend.
    »Fang du nicht auch noch damit an«, ruft der Kleine.
    »Von mir aus«, sagt der mit den Haaren.
    »Ahhh!«, schreit der Kleine. »Es macht alles keinen Sinn mehr!«
    »Ergibt«, sage ich. »Nichts ergibt mehr Sinn. ›Sinn machen‹ ist ein in den deutschen Sprachgebrauch übertragenes englisches Begriffspaar – to make sense – und im Deutschen nicht korrekt.« 8
    Der Kleine zerkratzt sich sein Gesicht.
    »Nichts macht Sinn außer Saufen!«, sagt der Große.
    »Halt die Schnauze, Blödkopf!«, schreit der Dicke.
    »Hat euch vieren schon mal jemand gesagt, dass ihr ein bisschen wie die Daltons seid?«, fragt das Känguru. »Ihr könntet …«
    »Einen Moment bitte«, fährt der mit den Haaren dazwischen. »Strategiebesprechung«, und der Schlägertrupp steckt die Köpfe zusammen.
    »Man sollte die verbieten«, flüstere ich.
    »Ja, ja«, flüstert das Känguru. »Aber davon gehen sie ja leider auch nicht weg.«
    »Wenn ich’s richtig verstanden habe, wurde die NPD Anfang der Nuller ja nicht verboten, weil man NPD und Verfassungsschutz nicht auseinanderhalten konnte«, sage ich. »Warum haben sie dann nicht einfach beide als verfassungsfeindlich verboten?«
    Der Trupp beendet seine Besprechung.
    »Also nach einigem Hin und Her sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir euch jetzt einfach brutal zusammenschlagen«, sagt der mit den Haaren.
    »Und danach gehen wir saufen?«, fragt der Große.
    »Denk daran, was wir besprochen haben«, brummt der Dicke.
    »Fresse halten?«, fragt der Große.
    »Genau.«
    »Moment noch bitte«, sagt das Känguru, spitzt seine Lippen und bläst Luft hindurch.
    »Was macht es da?«, fragt der Kleine.
    »Es versucht zu pfeifen«, sage ich.
    »Ich versuche nicht zu pfeifen«, sagt das Känguru eingeschnappt. »Ich pfeife.«
    Es bläst noch mal Luft durch die Lippen.
    »So pfeift man doch nicht«, sagt der Große belustigt, steckt sich zwei Finger in den Mund und lässt einen unglaublich lauten Pfiff hören.
    »Noch mal bitte«, sagt das Känguru, und ein zweiter Pfiff erschallt.
    »Beeindruckend«, schmeichelt das Känguru. »Und jetzt noch drei kurze hintereinander bitte.«
    Er tut wie ihm geheißen.
    Sofort stürmen zwei Dutzend Jugendliche herbei, rote Boxhandschuhe über den Händen.
    »Ah! Die Kavallerie!«, sagt das Känguru und wendet sich zum Gehen.
    »Komm mit, Piggeldy!«, sagt es.
    Und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause. 9

      7 Das verstört mich immer ein wenig, wenn er das macht. Anm. des Kängurus
      8 Ich verfluche dich, Bastian Sick. Ich habe nur ein klein wenig von Des Genitivs Tod ist dem Dativ gleichgültig gelesen, aber jedes Mal, wenn jemand »Sinn machen« sagt, denke ich: »Das ist aber nicht korrekt.« Dabei ist es mir eigentlich scheißegal, ob die Leute »Sinn ergeben« oder »Sinn machen« sagen, denn sie plappern so oder so nur Unsinn.
      9 Da kann man jetzt natürlich darüber streiten, ob das eine wirklich dauerhafte Lösung des Problems war, aber für diesen einen kleinen Moment … Anm. des Kängurus

Als das Känguru dreißig Stunden geschlafen hatte, verließ es seine Heimat und den Kühlschrank seiner Heimat und ging in die Kneipe. Hier genoss es seines Geistes und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn Stunden nicht müde. Endlich aber verwandelte sich sein Herz, und des Morgens kam es mit der Morgenröte zurück, trat vor seinen Mitbewohner und sprach zu ihm also: »FindstnichaudieWeltviezunübersichtlistunallvieznellgeht?«
    »Was?«, frage

Weitere Kostenlose Bücher