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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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philosophischen Diskurs rhetorisch brillant ausführen, warum ich Dialektik für ein Phantasiewort halte«, sagt das Känguru. »Oder ihr genehmigt das einfach …«
    »Genehmigt«, rufen Friedrich-Wilhelm und ich.
    »Moment mal«, sagt Otto und nimmt das Wörterbuch zur Hand. »Dialektik …«
    »Wollen wir ’nen Film kucken?«, frage ich.

Als ich mit der geöffneten Post mein Zimmer betrete, sitzt das Känguru an meinem Schreibtisch vor meinem Notebook und ruft: »Verdammt sei der Erste, der ein Stück Musik mit einem Kopierschutz umgab und auf den Gedanken kam zu sagen ›Dies gehört mir‹, und verdammt seien die Leute, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, denn ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Musik allen, aber das Internet niemandem gehört!«
    »Du hast Feuchtgebiete als Hörbuch runtergeladen?«, frage ich kopfschüttelnd.
    Das Känguru blickt mich an. Seine Kinnlade klappt herunter.
    »Äh … hä … äh …«, sagt es.
    »Du denkst: Woher zum Teufel weiß er das.«
    »Woher zum Teufel weiß er das?«, fragt das Känguru.
    »Ich werde verklagt deswegen«, sage ich und reiche dem Känguru einen Brief. »Hier.«
    Das Känguru überfliegt den Schrieb: »Abmahnung …«, murmelt es, »500 Euro Schadensersatz … Unterlassungserklärung … 500 Euro Anwaltskosten …«
    »Mann, Mann, Mann«, sage ich. »Ich wusste immer, dass ich eines Tages vor Gericht landen würde. Aber ich dachte wegen Beleidigung von Würdenträgern, Nichteinhaltung der Produktivitätsstandards, öffentlicher Meinungsäußerung. Solche Sachen. Aber Feuchtgebiete ?«
    »So muss sich Al Capone gefühlt haben, als sie ihn wegen Unregelmäßigkeiten in seiner Steuererklärung verhaftet haben«, sagt das Känguru.
    »Du bist nicht in der Position, sarkastische Bemerkungen machen zu dürfen.«
    »Behaupte doch einfach, dass du es nicht warst«, sagt das Känguru. »Da hat sich einer in dein WLAN gehackt. So wie damals, als sie mich am Steuer vom Auto deiner Mama geblitzt haben, als wir gesagt haben: ›Ey! Was soll das denn für ein komisches Beweisfoto sein? Das sieht ja aus, als säße da ein Känguru am Steuer.‹«
    »Diese schlaue Ausrede haben wohl schon andere probiert«, sage ich und reiche dem Känguru die Anlage zur Abmahnung.
    Es murmelt beim Lesen: »… für das Verhalten Dritter verantwortlich … allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft und andauern lässt, zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren verpflichtet ist …«
    Das Känguru blickt auf: »Jetzt ist also schon ein Internetanschluss eine Gefahrenquelle?«, fragt es und reicht mir den Brief zurück. »Ist ja wie in China.«
    »Nee«, sage ich. »Die meinen dich. Du bist eine Gefahrenquelle, du blödes Beuteltier!«
    »Na, na, na«, sagt das Känguru und hebt beschwichtigend die Pfoten. »Kein Grund, mit rassistischen Alliterationen um dich zu werfen.«
    »Du hohler Hüpfer«, sage ich. »Du Kackkänguru! Du … äh …«
    »Macropodidae-Matschbirne«, schlägt das Känguru vor.
    »Du Gefahrenquelle!«, rufe ich.
    »Weißte, was noch eine Gefahrenquelle ist, Alter?«, fragt das Känguru. »Mein Kopf! Weil da ist ein Gehirn drin.«
    »Was soll ich denn jetzt mit diesem Brief machen?«, frage ich.
    »Am besten du steckst ihn mir als Knebel in den Mund, sonst sage ich noch Sachen wie: Im ›Rechtsstaat‹ BRD macht die Polizei Hausdurchsuchungen und nimmt deinen Computer mit wegen ›illegaler Downloads‹, aber das kenne ich schon aus dem Unrechtsstaat DDR. Nur hießen die illegalen Downloads da noch ›West-Radio‹! Hie wie da, weil man sich dem beherrschenden Prinzip der Ideologie verweigert. Einst der Kontrolle, heute dem Eigentum. Knebel mich lieber. Sonst …«
    Ich knülle die Abmahnung zusammen und stecke sie dem Känguru in den Mund.
    »Aber wie soll ich darauf reagieren?«, frage ich.
    »Ahhs dhhhenn ahhhnaa«, sagt das Känguru.
    »Was?«, frage ich.
    Das Känguru spuckt den Brief aus.
    »Als dein Anwalt rate ich dir, ein schnelles Auto ohne Verdeck zu mieten«, sagt es. »Und du brauchst Kokain, ’nen Kassettenrekorder für ganz spezielle Musik, Acapulco-Shirts! Und du solltest für mindestens 48 Stunden aus L. A. verschwinden.«
    »Das klingt nach einer sehr guten Idee«, sage ich. »Ich muss nur kurz in der Vorratskammer kucken, ob die Ätherflasche noch voll ist.«
    »Wenn sie dich verhaften, schicke ich dir gebrannte CDs ins Gefängnis«, sagt das Känguru.
    »Ach«, seufze ich. »Ich wünschte nur,

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