Das Känguru-Manifest
gegeben.«
Alle lachen. Außer der Gitarrist.
»Der Laden hat die falsche Macke repariert«, grummelt er.
»Das ist witzig«, sagt das Känguru.
»Ein bisschen mehr Respekt bitte«, sagt der Gitarrist. »Das ist ’ne 73er Strat-Kopie mit ’nem Erlenkorpus und ’nem Keramikmagneten in der Spule. Sie klingt aber wie ’ne 58er SG, weil ich die Phase zwischen den Single-Coils hab umkehren lassen, damit …«
Das Känguru steht wortlos auf und geht zur Bar. Ich folge ihm. Es bestellt zwei Cocktails.
»Es hat sich einiges verändert, seit ich im Business war«, sagt es.
»In was’n für ’nem Business?«, frage ich.
»Ich hab gesungen in ’ner Punkband«, sagt das Känguru.
»In was’n für ’ner Punkband?«, frage ich.
»Pierre Baisemoi an der Gitarre, Ekkehard Ekel am Bass und Manfred Festinger, genannt ›ManniFest‹, am Schlagzeug«, sagt das Känguru.
10 Also known as: Your friendly neigbourhood Spider-Sven!
11 Also known as: Magic Michi!
12 Also known as: King Jorgos, the 2nd!
13 Also known as: Never-ending Nils!
»Ekkehard Ekel …«, sage ich. »Soso.«
»Das waren alles Künstlernamen«, sagt das Känguru.
»Nun ja«, sage ich. »Ich weiß nicht, ob man in diesem Zusammenhang von Kunst reden sollte.«
»Wir hießen Die kranken Schwestern«, sagt das Känguru. »Wir hatten alle immer so weiße, hautenge Latex-Krankenschwesterkostüme an. Mit Häubchen und so. Die Jungs trugen auch noch weiße Netzstrümpfe und Stöckelschuhe.«
»Verstehe.«
»Wir haben so Genderpunk gemacht«, sagt das Känguru. »Ziemlich Avantgarde.«
»Hm.«
»Aber das war ’ne andere Zeit damals«, sagt das Känguru. »Kann man sich heute nicht mehr so vorstellen.«
»Nee.«
»Wir haben zwei ziemlich gute Alben aufgenommen«, sagt das Känguru und kramt zwei Schallplatten aus seinem Beutel. »Das erste hieß: Krank . Das zweite hieß Krank 2 .«
»Krass«, sage ich.
»Nee. Krank«, sagt das Känguru.
»Ich mein krass: Zwei Alben.«
»Drei«, sagt das Känguru. »Vor den Krank-Sessions hatten wir schon ein Folk-Album mit dem Titel: Die Zeiten, sie …
äh … ändern sich aufgenommen. Da hießen wir aber noch Die Bäume«
»Die Bäume?«, frage ich.
»Ja, am Anfang konnten wir uns nur schwer auf einen Namen einigen. Deshalb hat der alle paar Wochen gewechselt. Zuerst haben wir uns Die abgezogenen Dielen genannt. Dann Die Angestellen und dann hießen wir kurzzeitig Die Kräuter der Provinz. Jan, Pierre und Manni kamen ja eigentlich alle aus dem Schwarzwald. Danach nannten wir uns Die Bäume, auch wegen dem Schwarzwald, und dann haben wir eine Zeitlang Post-Post-Industrial-Kram gemacht und uns Die sanierten Altbauten genannt.«
»Und schließlich Die kranken Schwestern«, sage ich.
»Jup.«
Ich werfe einen Blick auf die Tracklist.
l Wir sind die kranken Schwestern!
l Das System ist krank!
l Die Gesellschaft ist krank!
l Du bist krank!
l Ihr seid Deutschland!
l Ihr seid alle krank! Krank! Krank!
l Engelsgesang
»Das klingt doch vielversprechend«, sage ich.
»Wir haben noch wirklich Punkrock gemacht«, sagt das Känguru. »Nicht so Reformhaus-Punk wie ihr.«
»Ihr habt keinen Punkrock gemacht«, sage ich, »ihr habt Krankrock gemacht.«
Ich nippe an meinem Cocktail.
»Habt ihr auch Buttons vertickt, auf denen draufstand: ›Krank’s not dead!‹?«, frage ich.
»Nee. Wir haben aber bei jeder Platte ein bisschen Erde unters Cover getan«, sagt das Känguru. »Hidden Dreck.«
»Man fragt sich wirklich, warum ihr nie groß rausgekommen seid«, sage ich.
Der Rest der Gesellschaft setzt sich zu uns an die Bar.
»Und wenn ich die beiden Single-Coils in Reihe schalte«, sagt der Gitarrist, »dann klingt das, wie wenn ich bei ’ner 64er Paula mit verschraubtem Hals zwei Humbuger direkt an die Eisenbrücke …«
»Pfeif mal«, sagt das Känguru.
Der Gitarrist pfeift.
»Warum sollte ich pfeifen?«, fragt er.
»Wer pfeift, kann nicht reden«, sagt das Känguru und wendet sich wieder zu mir. »Jedenfalls wurden mir Die kranken Schwestern nach dem zweiten Album zu kommerziell, und ich bin ausgestiegen. Die anderen haben ohne mich weitergemacht. Sie sind auf den Technozug aufgesprungen und haben sich umbenannt in KrankenHouse, obwohl ich vorgeschlagen hatte, sie sollten sich lieber Die kranken Kassen nennen.«
»Über KrankenHouse habe ich letztens was im Internet gelesen«, sagt der Schlagzeuger 10 . »Die sind wohl ziemlich Big in Japan. Fast ’ne Million verkaufte Platten in Asien!«
»Von wegen
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