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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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ich. »Noch mal langsam bitte.«
    »Findest du nicht auch, dass die Welt viel zu unübersichtlich ist und alles viel zu schnell geht?«, fragt das Känguru.
    »Mhm«, sage ich.
    »Deshalb habe ich beschlossen, ab sofort alles in nur noch zwei übersichtliche Kategorien einzuteilen.«
    »Meins und Deins?«
    »Quatsch! Das sind doch bürgerliche Kategorien.«
    »Ja, ja.«
    »Ich habe ein Wertesystem jenseits von Meins und Deins entwickelt«, ruft das Känguru mit Pathos. »Durch lange Studien habe ich herausgefunden, dass die einzig relevante Einteilung der Postmoderne lautet: Witzig oder nicht witzig?«
    Es macht eine bedeutsame Pause.
    »Witzig oder nicht witzig«, wiederholt es. »Das ist hier die Frage!«
    »Laut und leise wären auch gute Kategorien«, murmle ich.
    »Und damit ich nicht immer wieder alles aufs Neue einteilen muss, habe ich mir zwei praktische Stempel anfertigen lassen.«
    Es fischt ein Stempelkissen aus seinem Beutel und kramt nach den Stempeln.
    Unser Telefon klingelt. Ich schlage mit der linken Hand auf den Sprechmuschelteil des Telefonhörers, woraufhin dieser von der Gabel in die Luft schnellt und am höchsten Punkt von meiner rechten Hand verfehlt wird. Er fällt zurück auf den Tisch und zertrümmert meine Kaffeetasse, deren heißer Inhalt sich über meine Hose ergießt, weswegen ich plötzlich aufspringe und gegen die Deckenlampe stoße. Daraufhin setze ich mich wieder, nehme den Telefonhörer in die Hand und sage: »Am Apparat!«
    Das Känguru drückt mit seiner rechten Pfote einen Stempel erst ins Stempelkissen und dann auf meine Stirn.
    »Witzig«, ruft es. Dann zieht es mit der anderen Pfote ein Handy aus seinem Beutel, und ich höre im Telefonhörer das Känguru kichern. Es steht von der Couch auf und hüpft Richtung Küche.
    »Weißt du, dass 63 Prozent aller Handytelefonate in Sichtweite geführt werden?«, fragt es übers Telefon.
    »Echt?«, frage ich. »Stimmt das?«
    »Irrelevant, mein Freund«, sagt das Känguru. »Wahr oder falsch ist so was von 20. Jahrhundert. Diese Information war witzig. Das allein rechtfertigt sie. Soll ich dir was aus der Küche mitbringen?«
    Ich blicke auf die Schweinerei vor mir.
    »Einen neuen Kaffee«, sage ich.
    »Witzig!«, ruft das Känguru.
    »Ahahamuhmuhmuh«, mache ich. »Weißt du, was ich witzig finde? Dieser Spaß hier kostet dich mit deinem Prepaid-Handy 29 Cent pro Minute.«
    »Nee. Ich telefonier von deinem Handy.«
    »Hm«, sage ich.
    »Ich dachte, jetzt legste auf«, sagt das Känguru.
    »Nee«, sage ich. »Flatrate.«
    »Warte mal kurz«, sagt das Känguru, »da klopft ein anderer Anrufer an.«
    »Ja, hallo?«, fragt es.
    »Dein Handy liegt hier bei mir im Wohnzimmer«, sage ich über des Kängurus Handy.
    »Ich habe die Karte von deinem Geld gekauft«, sagt das Känguru.
    »Ich kann nicht gewinnen«, sage ich.
    »Nein …«, sagt das Känguru belustigt.

»Rock’n’Roll ain’t noise pollution. Rock’n’Roll is just Rock’n’Roll. Yeah.«
Walter von der Vogelweide
    Ich sitze mit der Gesellschaft, meiner Band, im Backstage von Tefkabh , und wir frönen vor dem Auftritt einem Vergnügen, dessen Reize für Außenstehende kaum verständlich sind: Musikerwitze.
    »Wisst ihr, wie die Zusammenarbeit von Eminem und Dr. Dre zustande kam?«, fragt der Keyboarder. »Die sind sich auf der Straße entgegengekommen, und Eminem sagte: ›Ey, du Opfer! Willst du mich produzieren, oder was?‹«
    Das Känguru verdreht die Augen. Es ist hier, um einem Vergnügen zu frönen, dessen Reize für Eingeweihte kaum verständlich sind: backstage rumhängen. Der Backstage-Raum ist schön, wohltemperiert, sehr groß, hat eine funktionierende Toilette und Fenster. In der Mitte steht ein Schokobrunnen. Natürlich gibt es auch eine eigene Bar backstage. Es ist die Bar mit dem netten Personal. Der Schlagzeuger wirbelt mit seinen Trommelstöcken herum und schlägt auf alles ein, was eventuell bumm oder bang macht.
    »Ich bin der Drummer mit vier Armen und vier Beinen!«, ruft er. »Man nennt mich Spider-Sven!«
    Das Känguru verdreht die Augen.
    »Niemand nennt dich Spider-Sven«, sagt es.
    »Auf einem Bass kann man genau zwei Töne spielen«, sagt der Gitarrist. »Brumm und Dröhn.«
    »Das ist nicht witzig«, sagt das Känguru.
    »Ich kenne einen, der hat sich eine Vintage-Gitarre bauen lassen«, sagt der Bassist, »mit abgenutztem Griffbrett und Macken und so. Dann hat er aus Versehen eine echte Macke reingehauen und die Gitarre zum Reparieren

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