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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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fragt das Känguru.
    »Och. Muss nicht sein«, sage ich. »Wer von uns geht zum Tresen?«
    »Schnick, Schnack, Schnuck?«, fragt das Känguru.
    »Aber ohne Brunnen«, sage ich.
    »Is gut«, sagt das Känguru. »Bereit?«
    »Ja.«
    »Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.
    Das Känguru hat eine Schere, und ich …
    »Du fängst echt immer mit Papier an, Alter«, sagt das Känguru.
    »Ja, weil ich immer glaube, dass du doch Brunnen machst. Wir machen zwei aus drei, okay?«
    »Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.
    Ich hab eine Schere, und das Känguru …
    »Ohne Brunnen!«, rufe ich empört.
    »Das hätteste vorher sagen müssen!«
    »Hab ich doch!«
    »Nee. Das letzte Mal hatteste das dazugesagt. Diesmal nicht.«
    »Noch mal«, sage ich. »Und kein Brunnen.«
    »Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.
    Das Känguru hat eine Schere, und ich …
    »Na gut. Drei aus fünf«, sage ich.
    »Schnick, Schnack, Schnuck«, ruft das Känguru.
    Es hat einen Stein, und ich hab einen Brunnen.
    »Ooohh! Du«, ruft das Känguru. »Schnick, Schnack, Schnuck!«
    Zwei Brunnen.
    »Schnick, Schnack, Schnuck!«
    Das Känguru hat eine Schere, und ich …
    »Na gut«, sage ich, stehe auf, gehe zum Tresen und bestelle zwei Mal das November-Special. Eiscafé mit frischen Erdbeeren. Hinter mir in der Warteschlange steht der Pinguin mit einem Tablet-Computer unter der Flosse. Unsicher grüßend hebe ich die Hand. Er nickt mir stumm zu. Als ich an unseren Tisch zurückkomme, bellt die Frau gerade in ihr Handy: »Wir müssen für die Online-Community-Events mehr User generieren, dafür müssen wir ASAP den content upgraden.«
    Das Känguru ruft: »Hören Sie? Sie sind wahrscheinlich die affektierteste dumme Schnepfe, die mir je begegnet ist, und ich habe so einige getroffen …«
    Die Frau nimmt ihr Handy vom Ohr.
    »Wie bitte?«, fragt sie empört.
    »Hä?«, fragt das Känguru und wendet sich zu ihr. »Ich telefoniere gerade über mein In-ear-wireless-Headset.« Es macht eine kreisende Fingerbewegung vor seiner Schläfe.
    Die Frau winkt nickend ab und drückt sich ihr Handy wieder ans Ohr.
    »Ja! As soon as possible!«, ruft sie.
    »Ich hatte letztens ’ne schöne Idee«, sagt das Känguru, holt unsere Spielstandstabelle aus dem Beutel und gibt sich vier Punkte. »Wir könnten mal ein Netzwerk aufbauen, wo man nur die Möglichkeit hat, Feinde zu werden und Sachen scheiße zu finden.«
    »Ein asoziales Netzwerk?«, frage ich.
    »Nicht schlecht«, sagt das Känguru nachdenklich. »Ein asoziales Netzwerk …«
    »Gibt es schon«, ruft der Chor. »Zum Beispiel Hatebook. Und FeindeBleiben.de. Und This-is-my-space-so-fuck-off. com. Wir haben uns schon bei allen registriert.«
    Ich seufze, hole, um nicht mehr aus der Masse herauszustechen, mein Notebook aus der Tasche und stelle es neben den Eiscafé. »Ich habe letztens ein thematisch passendes Gedicht verfasst«, sage ich.
    »Auch das noch«, sagt das Känguru.
    »Ihr habt da was falsch verstanden, zu meinem Verdruss. Meinungsfreiheit heißt,
dass man seine Meinung kundtun darf.
Nicht, dass man es muss.«
    »Wir hassen euch«, ruft der Chor, »und wir dissen euch im Internet, ihr Opfer!«
    Das Känguru schüttelt seinen Kopf: »Manchmal, da denke ich, man sollte das komplette Internet abschalten und durch eine Nachricht ersetzen, auf der steht: ›Gehen Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen.‹« 15
    Es blickt überlegen durch die Gegend, dreht sich zackig um und hüpft mit voller Kraft gegen die Glastüre. Ich liege auf dem Boden und halte mir den Bauch vor Lachen. Das Känguru rappelt sich auf.
    »Du bist ein böser Mensch!«, sagt es. »Böse! Böse! Böse! Und ich will, dass du das weißt.«
    »Ich lache doch gar nicht über dich!«, sage ich und zeige auf mein Notebook. »Da hat nur gerade jemand ein Video auf youtube gestellt, wo man sieht, wie ein Känguru gegen eine Glastüre hüpft.«
    Von: Prof. Dr. Ute Arnold ‹[email protected]
    Betreff: Die Knospe im Schlaf-raum wieder laenger begluecken
    Datum: 30. November 2010 23:46:05 MESZ
    An: marcusxxx ‹[email protected]
    Kopie: marcusxxx ‹[email protected]›, marcusxxx ‹[email protected]›, marcusxxx ‹[email protected]›, marc-uwe ‹marc-uwe.kling@xxxx› und 45 weitere
Empfänger …
    »Die Knospe im Schlafraum wieder länger beglücken.
    Die Rose bei der Liebe nach Elysien entrücken.
    Plagen Sie Trübsal, Kümmernis, Pein
    Verdorrt die Königspalme im Palmenhain
    Wünschen Sie den Fesseln des

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